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In LoTHAr BucHeErs gehaltvollem Werk: „Der moderne
Parlamentarismus“ ist ein Ausspruch des englischen Juristen
TWwIsSTLER angeführt, der diesen Einfluss auf die Entstehung
eines Rechtes erkennen lässt. TwisTLER sagt: „Den Unterschied
zwischen dem römischen Recht und den Gesetzen unseres Volkes
finde ich darin, dass jenes auf dem Grundsatze beruht: was dem
Fürsten gefällt ist Gesetz, und diese den Satz voranstellen, dass
das Königreich nach keinen anderen Gesetzen zu regieren ist,
als die das Volk gemacht und gewählt hat.“ Hinter dem schein-
bar abstrakten und rein theoretischen Unterschied zwischen kon-
stitutivem und deklarativem Gesetzesinhalt steht also praktisch
der Unterschied zwischen Herrenrecht und Volksrecht.
Nicht, dass beide Unterscheidungsgründe völlig identisch sind.
Volksrecht entspricht der Ueberzeugung der Lebenden und fällt
nicht mit Gewohnheitsrecht im Sinne der Juristen zusammen.
Auch dauernde Rechtsprechung schafft z. B. juristisches Gewohn-
heitsrecht, und doch können die Richter Fürstendiener sein. Das
traf namentlich bei dem gemeinen Recht in Deutschland zu.
Allenthalben wird gelehrt, dass das römische Recht durch Ge-
wohnheit deutsches Recht geworden sei. Aber diese Gewohnheit
war nur Judikatur. Die Anwendung des fremden Rechts war
für die Fürsten und ihre Juristen nur ein Mittel, um die alten
Volksgerechtsame zu stürzen; die Unterthanen mussten gehorchen
oder wurden als Verbrecher behandelt. Lebensrecht des deutschen
Volkes war aber das römische Recht niemals, man hat bekannt-
lich, um seine Geltung zu rechtfertigen, ein Gesetz, eine lex
Lothari erdichtet. In Uebergangszeiten kommt es wohl auch
vor, dass das Fürstenrecht als Gesetz den schwächeren auf-
strebenden Volksschichten gegenüber den eingestammten, welche
die Gewohnheit beherrschen, zu Hilfe kommt. Denn auch bei
dem Volke darf man keine ideale Rechtsbildung annehmen.
Auch hier setzt sich das Interesse durch und im Kampf das
Interesse des Stärkeren. Im allgemeinen kann man aber dennoch