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nach bestehender Norm nicht beeinflussen, so wenig als vordem
die Laune des Fürsten. Leider ist die Unabhängigkeit der Richter
in den wenigsten Staaten mit richterlicher Bureaukratie gewähr-
leistet. Der Richter kann wohl zumeist nicht abgesetzt, nicht
versetzt, aber er kann nach Gunst befördert oder nicht befördert
werden. Ein geschlossenes Richterbeförderungsgesetz müsste auch
hierfür jeden ungehörigen Einfluss abwehren. Die Ausschaltung des
Richteramtes aus dem Parteigetriebe verlangt aber auch dessen
Erweiterung auf das öffentliche Gebiet, die Ausbildung der Ver-
fassungs- und Verwaltungsrechtspflege. Das Parlament taugt nicht
zum Richter über die Wahlen, es ist offenbar befangen. Der politische
Beamte taugt nicht zum Richter, wo die Verwaltung Partei ist, er
ist befangen und abhängig. Es soll nicht verkannt werden, dass eine
unabhängige und zugleich bureaukratisch geschlossene Richter-
schaft zu einem Papsttum der höchsten Gerichtsstelle führen
kann und dass wie jede Macht, auch die des Richters, die Gefahr
des Missbrauchs in sich hat. Das Richtertum sollte nicht hier-
archisch organisiert sein. Doch liegt die Gefahr noch nicht nahe
und das Verfassungsgesetz ist Herr über sie.
Auch die Verwaltung müsste, um korrekt zu fungieren, min-
destens dem persönlichen Einfluss im einzelnen Fall entzogen
werden, indem man die Beamten durch Dienstpragmatik und
Disziplinargesetz schützt. Hierzu ist kaum ein Ansatz vorhanden.
Die Mittel zweiter Art versuchen im parlamentarischen Ge-
triebe selbst die Minorität gegen den Einfluss der Majorität und
insbesondere einer Zufallsmajorität zu schützen. Sie liegen ent-
weder in der Organisation (Zweikammersystem mit geändertem
Wahlmodus für beide Kammern, Vetorecht des Fürsten oder
Präsidenten mit wenigstens aufschiebender Wirkung u. a.) oder
in der Geschäftsordnung (wiederholte Lesung, verstärkte Majorität
bei Verfassungsgesetzen u. a.). Bei allen solchen Vorschlägen
und Versuchen verschlingt man sich aber immer in einen Wider-
spruch: Wie kann man erwarten, dass die parlamentarische