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aber doch zu beachten, dass aus Art. 78 nicht nur zu entnehmen
wäre: Kein Herrenhausmitglied kann Abgeordneter werden,
sondern auch: Kein Abgeordneter kann ins Herrenhaus kommen.
Demzufolge müsste man, wenn man sich diesen Schriftstellern
anschliesst, auch sagen: Die mittels königlicher Berufung ge-
schehene Verleihung der Herrenhausmitgliedschaft an einen
Abgeordneten ist ungültig. Dass es sich in diesem Falle
um eine anders bewerkstelligte Verleihung handelt, muss
einerlei sein. Auch die durch den König vorgenommene Ver-
leihung kann ungültig sein, z. B. wenn sie auf eine Person fällt,
die nicht die Bedingungen der Verordnung vom 12. Oktober 1854
erfüllt.
Die genannte volle Konsequenz aus Art. 78 wird aber ausser
durch v. RÖNNE-ZORN ??® nirgends gezogen, nirgends wird ausge-
sprochen, dass jemand nicht ins Herrenhaus berufen werden darf,
weil er Abgeordneter ist. Auch sind die vorbezeichneten Schrift-
steller nicht dieser Meinung, vielmehr halten sie, ohne Aus-
nahme ??®, die Berufung für gültig. Dies ergiebt sich daraus,
dass die Annahme der Berufung ins Herrenhaus allgemein als
ein Grund für den Verlust der Abgeordneteneigenschaft ange-
sehen wird, Man ist nämlich der Ansicht, dass jemand, der
die Berufung annimmt, damit stillschweigend auf sein Mandat
verzichtet **., Einen derartigen stillschweigenden Verzicht würde
man nicht präsumieren dürfen, wenn es feststände, dass die Be-
rufung ungültig ist. Die Bearbeiter des preussischen Staatsrechtes
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?2& v, Rönne-Zorn Bd. I S. 285 sehen Art. 78 als eine Beschränkung
der Berufung ins Herrenhaus an. Die Berufung würde also ungültig sein.
2b v, RÖNNE-ZoRN sind a.a. O. Bd. IS. 337 Anm. 3 anderer Meinung
als S. 285 (vgl. Anm. 22a). Sie halten hier die Berufung für gültig, nur
habe der Abgeordnete zu wählen, welchem Hause er angehören will.
”® BoRNHAK a. a. O. Bd. I S. 394, STENGEL a. a. O. S. 81; v. RÖNNE-
ZoRN a. a. O. Bd. I S. 337; ScuuLze a. a. O. Bd. I S. 591f.; Schwartz
a. a. 0. S, 234.
*”* BoRNHAK a. a. O. Bd. I S. 394.