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Theorie und Praxis aber scheinen nach dem früher Angegebenen ?”
eine derartige Vorschrift dem Art. 9 R.-V. zu entnehmen, wo es
heisst: „Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrats und
des Reichstages sein.“ Diese Vorschrift kann insofern in Betracht
kommen, als man sagt, der Bundesrat ist eine Vereinigung von
bevollmächtigten Vertretern der Träger der Reichssouveränität.
Wenn man nun der Meinung ist, dass die Rechtsstellung, welche
der einzelne Vertreter Dritten, also z. B. dem Reichstage gegen-
über einnimmt, auch die des vollmachtgebenden Vertretenen gegen-
über denselben Dritten ist, dass also die für den Vertreter in
dieser Beziehung geltenden Vorschriften auch für den Vertretenen
massgebend sind, so kommt man zu dem Satze: Niemand kann
zugleich Landesherr und Mitglied des Reichstages sein. Wie
allgemein anerkannt wird, folgt aber aus dem oben citierten
Satze des Art. 9 für die Bundesratsmitglieder nur eine Inkom-
patibilität ?®. Infolgedessen könnte auch nur eine solche sich für
die Landesherren ergeben, wenn man Art. 9 in der bezeichneten
Weise auf sie anwendete.
IV. Als Ergebnis der Untersuchung ist festzustellen: Die
Landesherren können nicht Mitglieder des Reichstages sein. Ihr
Ausschluss von der Mitgliedschaft beruht aber nicht auf einem
sie zu nichtwählbaren Personen machenden Mangel an Tauglich-
keit, sondern auf der rechtlichen Unvereinbarkeit ihrer Stellung
mit der eines Reichstagsabgeordneten. — Das Gleiche ist auch
von den Regenten zu sagen. Im Einzelstaate sind sie allein,
im Reiche in Gemeinschaft mit den anderen Mitausübern der
Reichssouveränität durch das Mittel des Bundesrates ein gesetz-
vereinbarendes Staatsorgan, können daher nicht Mitglied eines
anderen, die gleiche Funktion ausübenden Organes sein.
Da für die deutschen Landesherren und Regenten
nur Unvereinbarkeit hinsichtlich der Reichstagsmit-
27 Vgl. oben unter I.
3 Vgl. nur Lapann ae. a. OÖ. BALS. 291.