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es halbsouveräne Staaten nicht giebt; denn sind diese „Gebietskörperschaften“
nicht souverän, so sind sie keine Staaten; sind sie aber Staaten, so müssen
sie nicht halbsouverän, sondern souverän sein. Der Verf. zieht diese Folge-
rung aber nicht, sondern er behandelt die einem Suzerän unterworfenen
Gebietskörperschaften, trotzdem die ihnen zustehende Gewalt nicht die höchste
ist, als Staaten. Den Uebergang hierzu bildet die Erwägung, dass der
Souveränitätsbegriff „als Rechtsbegriff* Beschränkungen sehr wohl verträgt
und dass er trotz der Beschränkungen derselbe geblieben ist, wie auch der
Begriff des Eigentums sich nicht geändert hat trotz der vielen Beschränkungen,
welche die Fortschritte der Zeit mit sich gebracht haben. Hiernach definiert
der Verf. die Souveränität „als Eigenschaft einer Persönlichkeit, wonach die-
selbe mit Ausschliesslichkeit nur durch eigenen Willen bestimmt werden
kann, mithin sich auch Selbstbeschränkungen auferlegen kann“ (S. 122 ff.).
Auf diese zweite Begriffsbestimmung der Souveränität folgt eine kritische
Abschweifung in die Bundesstaatstheorien und die Versicherung, dass, wer
sich nicht in den Gedankenkreis der germanischen Gesamtpersönlichkeit, dass
die Teile selbständige Ganze gegenüber dem grösseren Ganzen und doch zu-
sammen wieder ein Ganzes bilden, einzuleben vermag, niemals zu einer be-
friedigenden Konstruktion der Staatenverbindungen gelangen wird. Da nun
das Verhältnis des Suzeräns zu den ihm unterstellten halbsouveränen Staaten
unter die Kategorie der Staatenverbindungen fällt, so ist es mindestens auf-
fallend, dass das staatsrechtliche Verhältnis der Türkei zu ihren christlichen
und mohammedanischen Vasallenstaaten, sowie das Verhältnis der ostasia-
tischen Lehnsstaaten nur von dem Gedanken der germanischen Gesamt-
persönlichkeit aus soll begriffen werden können. In ziemlich unvermitteltem
Anschluss an diese Verbeugung vor der germanistischen Gesamtperson und
ihren litterarischen Palatinen erhalten wir S. 140 endlich die Aufklärung,
dass eine halbsouveräne Gebietskörperschaft „diejenige ist, welche von einer
anderen souveränen Gebietskörperschaft innere oder innere und äussere
Hoheitsrechte in dem Masse zur Ausübung empfangen hat, dass sie, wenn
sie dieselben aus sich selbst heraus (sic!) bethätigen würde, eine souveräne
Grebietskörperschaft wäre“. Zur Erläuterung schliessen sich unmittelbar
daran zwei Sätze, die ich trotz eifrigen Bemühens nicht anders verstehen
kann, als dass sie sich einander vollkommen widersprechen. Der Verf. sagt:
„Es deutet mithin unsere Ausdrucksweise lediglich die Ausübungsverteilung
an, bei der die Zuständigkeiten von vornherein feststehen. Damit
ist zugleich negativ festgestellt, dass eine summarische Abgrenzung der sog.
Hoheitsrechte zwischen dem suzeränen und halbsouveränen Staate nicht
eintritt und im Widerspruch stünde mit der modernen Souveränitäts-
auffassung, dass mithin auch eine genaue Kompetenzabgrenzung nicht
vorliegt.“ Also die „Zuständigkeiten“ der beiden in Betracht kommenden
Gebietskörperschaften sollen von vornherein feststehen, die „Kompetenzen“
aber weder summarisch noch genau abgegrenzt werden! Die Hauptsache