Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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Staaten eine „Gesellschaftsordnung* schafft und an die Stelle gewaltsamer 
Selbsthülfe (Krieg) die Erledigung von Rechtsstreitigkeiten durch ein richter- 
liches Urteil setzt. Zu diesem Zweck ist die Errichtung eines Staaten- 
gerichtshofes erforderlich, da alles materielle Recht seine Ergänzung durch 
ein Prozessrecht finden muss. „Der Staatengerichtshof wird also nicht be- 
fugt sein, eo ipso alle Streitigkeiten zwischen zwei Staaten zu entscheiden, 
sondern nur solche, welche nach einem von den Staaten selbst festgesetzten 
Rechte beurteilt werden können.“ Wo aber zwei oder mehrere Staaten 
übereinstimmend eine bestimmte Regelung ihrer gegenseitigen Beziehungen 
gewollt haben oder erklären, eine solche zu wollen, da kann, wenn nach- 
träglich ein Streit über den Inhalt oder die Konsequenzen ihrer Fest- 
setzungen entsteht, ein unparteiischer Dritter, d. h. eben ein Richter, ent- 
scheiden, welcher der Interessenten das Richtige trifft. Es sei durchaus 
verfehlt, zu behaupten, dass es über souveräne Staaten Gericht und Richter 
im juristischen Sinne nicht geben könne. Dagegen sei es schlechterdings 
nicht angängig und mit der staatlichen Souveränität unverträglich, der 
Rechtsgemeinschaft auch exekutive Befugnisse zuzuerkennen und eine zwangs- 
weise Vollstreckung der Urteile des Staatengerichtshofes zu organisieren. 
Diesen Mangel erachtet der Verf. aber nicht für so wesentlich, als er gewöhn- 
lich angesehen wird; weil die Urteile in der Regel aus psychologischen 
Gründen, wegen ihrer moralischen Kraft und Autorität bei den Parteien Be- 
folgung finden werden. 
Da nun aber die Interessen der Staaten sich zeitlich verändern und 
der Staat sich daher immer nur vorübergehend einer auf bestimmte Ordnung 
basierten Gemeinschaft mit seinesgleichen einfügen kann, so werden die 
Staatengrundverträge immer nur periodisch, d.h. für den Zeitraum einiger 
Jahre abgeschlossen werden können und ebenso werden sie in materieller 
Hinsicht auf diejenigen Gegenstände beschränkt sein müssen, für deren 
Regelung die Staaten untereinander Rechtssätze festgestellt haben; endlich 
werden sie in räumlicher Hinsicht nur für die Kontrahenten Geltung 
haben können, während sie anderen Staaten gegenüber keine Anwendung 
beanspruchen können. Doch ist anzunehmen, dass wenn erst solche Grund- 
verträge unter den Staaten zum Abschluss gekommen sind, sie immer wieder 
erneuert und in sachlicher und räumlicher Hinsicht erweitert werden. 
Diese vom Verf. empfohlenen Staatengrundverträge haben eiue in die 
Augen fallende Aehnlichkeit mit den mittelalterlichen Landfriedensverträgen, 
worauf auch der Verf. S. 92 hinweist, freilich mit der unrichtigen Bemerkung, 
dass diese Aehnlichkeit nur „äusserlich“ sei. Auch die Landfriedensverträge 
haben für bestimmte, genau begrenzte Perioden, für gewisse Streitigkeiten 
und unter gewissen, am Vertrage beteiligten Fürsten und Herren Krieg und 
Fehde ausgeschlossen und ein gerichtliches Verfahren eingeführt; sie hatten 
aber vor dem vom Verf. empfohlenen „Staatensystem“ die Garantie und 
zwangsweise Exekution der Landfriedensurteile voraus. Allerdings haben
	        
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