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diese Verträge zu einer erheblichen Einschränkung der Fehden gedient und
die schliessliche Einführung des „ewigen“ Landfriedens vorbereitet, und es
ist wohl nicht zu bestreiten, dass ähnliche Verträge unter den souveränen
Staaten möglich sind und den gleichen Nutzen haben können. Die ganze
Bundesverfassung von 1815 war ja im wesentlichen auch nicht viel mehr als
ein „ewiger* Landfriedensbund. Aber trotz aller Landfrieden war das 15. Jahr-
hundert die Zeit des schlimmsten Faustrechts, und dem ewigen Landfrieden
folgten die Religionskriege, der dreissigjährige Krieg, der siebenjährige Krieg
u. s. w. Die grossen Interessenkollisionen unter den Grossstaaten werden
durch „Grundverträge“ nicht verhütet oder erledigt werden, was auch der Verf.
selbst nicht annimmt. Für die geringfügigen Streitigkeiten dürften sie aber
unnötig sein; denn die wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Interessen
der Völker bilden in immer wachsendem Masse eine Garantie, dass Kriege
nicht um geringfügige Streitpunkte, sondern nur um wirkliche Existenz-
bedingungen der Völker geführt werden, und der Ausgleich von untergeord-
neten Differenzen, namentlich von Rechtsstreitigkeiten, durch Vergleich oder
Schiedsspruch wird auch ohne Staatengrundvertrag mehr und mehr die
völkerrechtliche Regel und der Zielpunkt der hohen Politik werden.
Laband.
Louis Le Fur und Paul Posener, Bundesstaat und Staatenbund in
geschichtlicher Entwicklung. Breslau, J. U. Kerns Verlag
(Max Müller), 1902. XV u. 8848. M.11.—.
Es handelt sich hier um eine deutsche Bearbeitung des 1896 erschienenen
Werkes von Le Fur: Etat federal et confederation d’etats. Der vorliegende
Band entspricht zunächst nur der kleineren Hälfte dieses Werkes. Er
umfasst lediglich den geschichtlichen Teil. Der dogmatische soll nachfolgen.
Von den deutschen Juristen, welche sich für das wissenschaftliche
Problem des Bundesstaates interessieren, sind wohl verhältnismässig nicht
gar so viele nicht im stande, einen französischen Schriftsteller in der Ursprache
zu geniessen. Immerhin ist es verdienstlich, dass dieses Werk hier zu
leichterer Zugänglichkeit gebracht wird. Es übertrifft ja schon im äusser-
lichen Umfange alles, was bisher über diesen Gegenstand geschrieben worden
ist, Sodann ist LE Fur für uns um deswillen eine hervorragende Er-
scheinung, als er mit der deutschen Litteratur auf einem ganz besonders ver-
trauten Fusse steht. Er kennt sie und verwertet sie und schliesst sich ihr an
in einem Masse, wie wir das zur Zeit kaum bei einem anderen französischen
Rechtsgelehrten wieder finden. Dabei hat er stark ausgeprägte eigene An-
schauungen, feste Prinzipien, von welchen er ausgeht und an welchen er
unsere litterarischen Erscheinungen misst. Kurz, es ist wohl der Mühe wert,