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Verf. verfolgt dann (S. 200 ff.) die „nachrömische Entwicklung“, selbst-
verständlich nur in grossen Zügen, um zu zeigen, was aus den römischrecht-
lichen Begriffen Civilrecht und öffentliches Recht geworden ist. Das Er-
gebnis ist (S. 242): „auch in Deutschland geht der Gegensatz des Privatrechts
und des öffentlichen Rechts im Gegensatze des staatlichen und des gesell-
schaftlichen Rechtes auf“. Oeffentliches Recht liegt vor, „wenn der Staat sich
der Gesetzgebung bewusst als Mittel bedient, um ein bestimmtes Ziel zu
erreichen“, Privatrecht, „wenn die Gesellschaft sich ihr Recht selbst schafft
und die staatliche Gesetzgebung nur eingreift, um das gesellschaftliche Recht
festzustellen und zu klären“. Daher sind die Grenzen des öffentlichen Rechts
und des Privatrechts zu allen Zeiten „verrückbar“. Insbesondere glaubt
Verf. schon in seiner früheren Schrift über das zwingende und nichtzwingende
Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch gezeigt zu haben, „wie zahlreiche als
privatrechtlich gedachte Anordnungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu
öffentlichrechtlichen werden, sobald die grosse Bedeutung der öffentlichen
Interessen, denen sie ihren Schutz angedeihen lassen, zum allgemeinen Be-
wusstsein gelangt“.
Damit scheint uns aber der Verf. die Tragweite seiner an sich ganz
schätzenswerten Beobachtungen über die Denk- und Sprechweise der römi-
schen Juristen doch sehr überschätzt zu haben. Der Begriff unseres Öffent-
lichen Rechts, als der Ordnung der Erscheinungen der öffentlichen Gewalt,
hat sich auf breiter und tiefer Grundlage viel zu sicher aufgebaut. Er lässt
sich so nebenbei nicht ins Wanken bringen, namentlich wenn das, was ihn
ersetzen soll, seinerseits so ganz und gar nicht beanspruchen kann, feste Ge-
stalt und praktische Brauchbarkeit zu besitzen.
Leipzig. Otto Mayer.
Dr. Heinrich Triepel, Professor in Tübingen, Quellensammlung zum
deutschen Reichsstaatsrecht, Leipzig, C. L. Hirschfeld, 1901.
XVI u. 343 S.
Das Buch bildet den ersten Band einer Reihe von Quellensammlungen
zum Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, mit welchen der Herausgeber
vornehmlich den Zwecken des akademischen Unterrichts zu dienen be-
absichtigt. Es ist leicht zu sehen, dass die im engeren Sinne sog. Disziplinen
des Öffentlichen Rechts gegenüber anderen Zweigen der Rechtswissenschaft
mangelhaft ausgestattet sind mit eigentlichen Lehrmitteln. Strafrecht, Pro-
zessrecht, bürgerliches Recht, Handelsrecht haben ihre feste, mehr oder
weniger geschlossene Grundlage in den ihnen zugehörigen Gesetzbüchern.
Der Hörer und mehr noch der Teilnehmer an praktischen Uebungen muss
diese immer zur Hand haben. Er lernt mit der Theorie zugleich die richtige
Kunst, das Gesetz richtig zu lesen. Der stete Zusammenhang mit der