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sche Schule konsentieren, Notwendigkeit des Strafrechts und Anerken-
nung der Verantwortlichkeit. Meisterhaft behandelt Wach die Begründung
der Strafe als vergeltende Gerechtigkeit, als praktische Behandlung der
Uebelthat, d.h. eines Angriffs auf die Gemeinschaft, gemäss ihrem Unwert.
Ein Werturteil ist es, das der Gesetzgeber in seinen generellen Formeln
ausspricht, auf dass sich alle danach halten. Aber keine Strafe ohne Ver-
antwortlichkeit.. Ob die Schulen sich zur Freiheit oder zur Unfreiheit des
Willens bekennen, übereinstimmend gilt die Handlung des sog. Zurechnungs-
fähigen als Betätigung der Persönlichkeit und macht diese gleichmässig
sittlich, gesellschaftlich rechtlich verantwortlich. Die verschiedenen Rich-
tungen laufen alle darauf hinaus, im Strafrechte die richtige Proportionalität
von Schuld und Strafe gewährleistet zu sehen. Das geltende Recht will das
auch, lässt aber vielfach die Konsequenz vermissen und giebt damit einen
berechtigten Anlass für das Bedürfnis seiner Verbesserung. Abschnitt IV
weist der Zukunft als deren Aufgabe keinen Neubau von Grund auf,
sondern nur Ausbau unseres Strafrechts zu. Als die Punkte, wo anzusetzen
sei, werden bezeichnet: Reinigung unseres Strafrechts von schädlichem For-
malismus, Beschränkung des einschneidenden Mittels der Strafe auf das Not-
wendige, gleichmässige Behandlung ven Gleichwertigem, richtige Bewertung
der einzelnen Delikte, namentlich Herstellung einer richtigen Schätzung der
Vermögensdelikte im Verhältnis zu den Vergehen gegen die Person und
gegen ideale Werte, Abwägung der individuellen Schuld, um sie richtig
würdigen zu können, Beseitigung des Schematismus in der willkürlichen Be-
handlung der Strafschärfungsgründe, Rückfall, Gewerbs-, Gewohnheits-, Ge-
schäftsmässigkeit des Verbrechens, rationelle Gestaltung der Notwehr, richtigere
Begrenzung der strafrechtlichen Widerrechtlichkeit und endlich Beseitigung
der französischen Dreiteilung der strafbaren Handlungen in Vergehen, Ver-
brechen und Uebertretungen mit ihrer Fülle willkürlicher Konsequenzen.
Der schöne Vortrag klingt aus in einem beredten Aufruf zur Mitarbeit an
dem Probleme, überall die richtige Mittellinie zwischen Freiheit und Straf-
zwang suchen und ziehen zu helfen.
3. Die Reform des Strafrechts von Dr. L. von Bar, Professor an der
Universität Göttingen. Berlin 1903. Verlag von Julius Springer.
35 S. Gross 8°. Pr. M. 1.—.
Ref. gedenkt dankbaren Sinnes der Zeiten, wo er vor mehr als einem
Menschenalter durch den Herrn Verf. im Strafrecht unterwiesen wurde.
Die besondere Vorliebe für die v. Barschen Schriften ist ihm geblieben,
wenn auch Praxis und Erfahrung den Schüler seinem verehrten Lehrer nicht
immer auf gleichem Wege haben folgen lassen.
Die Gelegenheit, sich im Zusammenhange zu der Tagesfrage zu äussern,
fand Herr v. Bar in einem Vortrage, den er am 18. März 1903 vor der
internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volks-