Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

— 31l — 
dass durch einen gewissen Verkündigungsakt die Rechtsvorschrift 
als gemeinkundig gilt. Der Gegensatz zwischen beiden Methoden 
ist allerdings kein scharfer und unvermittelter. Alle materiellen 
Bekanntmachungen bedürfen immer zu ihrer Ergänzung einer 
durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht begründeten Fiktion der 
(Gremeinkundigkeit. Denn kein Mittel der Bekanntmachung und 
keine Häufung solcher Mittel giebt eine Gewähr dafür, dass das 
Gesetz in der That allen bekannt wird®. Auch müsste die Be- 
kanntmachung bei dem Wechsel der Personen, welcher sich stetig 
in der Bevölkerung vollzieht, in kurzen Zwischenräumen immer 
wiederholt werden. Dass das Gesetz auch denjenigen als ver- 
kündet gilt, welche bei der Bekanntmachung nicht zugegen, ja 
vielleicht noch gar nicht geboren waren, ist eine Fiktion, welche 
nur durch einen Rechtssatz begründet werden kann. 
Andererseits wird auch bei der Herrschaft des formellen Ver- 
kündigungsprinzips ein Verkündigungsmittel gewählt, welches nicht 
nur die Möglichkeit gewährt, das Gesetz oder die Verordnung 
in ihrem authentischen Wortlaut kennen zu lernen, sondern auch 
in einem gewissen, wenngleich beschränkten Masse die Bekannt- 
schaft mit dem Gesetz thatsächlich verbreitet. 
Die materielle Verkündigungsmethode war früher die herr- 
schende; sie entspricht einer naiven Anschauungsweise und un- 
entwickelten Verkehrsverhältnissen. Ihre grossen Mängel sind 
offenkundig; bei umfangreichen Gesetzen, insbesondere bei grossen 
Gesetzbüchern verfehlt sie gänzlich ihren Zweck. Seit dem Ende 
des 18. Jahrhunderts wurde sie von der formellen Verkündigungs- 
methode allmählich verdrängt”; sie besteht heute nur noch bei Vor- 
schriften von engbegrenzter räumlicher oder zeitlicher Geltung, 
insbesondere bei ortspolizeilichen Anordnungen, Erklärung 
des Kriegszustandes u. dgl. Von diesem Rest abgesehen gilt 
  
° Lukas 8. 8. 
” Eine ausführliche Darstellung dieser geschichtlichen Entwicklung 
giebt Lukas in dem angeführten Buch.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.