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nete der Gemeinderäte gewählt wird, ist nicht viel anders ge-
staltet. Die Union erweist sich gerade in der Gestaltung der
Trägerschaft der Bundesgewalt juristisch als der Staat und die
Gliedstaaten sind ihre Unterthanen??,
22 Dem nordamerikanischen Senat entspricht der schweizerische Ständerat.
Er ist nach der Verfassung gedacht als Vertretung der Kantone. Inwie-
fern? Weil auf jeden Kanton zwei Abgeordnete gewählt werden und über
die Art der Wahl die Kantonsgesetzgebung entscheidet. Im übrigen haben
die Kantone diesen Vertretern gar nichts drein zu reden. Es ist natürlich
wieder nur das Schweizervolk, das kantonsweise abstimmt. — Wenn man
gleichwohl das Wesen des Bundesstaates in den Anteil der Gliedstaaten an
der Souveränetät des Gesamtstaates setzt (LE Fur, Etat tederal S. 679), so
begnügt man sich wirklich mit recht wenigem. JELLINEK, Staatenverbindungen
S. 288ff., hat ganz recht, wenn er meint, das sei lediglich eine Zweck-
mässigkeitssache, vielleicht ein Naturale des Bundesstaatsbegriffes, das aber
nicht sein Wesen ausmachen könne, so geringfügig ist es. Er hat recht für
die Schweiz und für Nordamerika. Für das Deutsche Reich aber ist dieser
Anteil der Gliedstaaten an der Reichsgewalt keineswegs geringfügig, aber
auch ganz unentbehrlich: wo sollte diese Gewalt sonst herkommen? Hier
liegen also doch wohl die Sachen ganz anders. — Die wissenschaftlichen
Vorkämpfer der Südstaaten hatten die Ansicht vertreten, die Union sei kein
Staat. Man hätte erwarten sollen, in der südstaatlichen Verfassung vom
ll. März 1861 wäre nun mit allem Fleiss Vorkehr getroffen worden, dass
diese Rechtsauffassung wenigstens für den neuen Bund klargestellt und ge-
sichert werde. Die gemeine Meinung geht dahin, dass dies auch geschehen
sei und bezeichnet die konföderierten Staaten als das unzweifelhafte Beispiel
eines Staatenbundes. Das ist aber keineswegs der Fall. Die alte Unions-
verfassung ist einfach wiedergegeben worden mit geringfügigen Abweichungen.
Die wichtigste findet sich in der Einleitung, wo es heisst: We the people
of the Confederate States, each State acting in its sovereign and
independent character... do ordain and establish this constitution.
Die Souveränetät der Einzelstaaten wird hier ausdrücklich anerkaunt, ihre
Völker — people ist hier Pluralis — handeln unter Vorbehalt dieser Sou-
veränetät. Aber sie handeln doch gemeinsam, thatsächlich ein Volk bildend,
und erhalten in der Verfassung ihre Gesamtvertretung als ein Volk in
derselben Weise wie in der Union. Man macht einen solchen geborenen
Öberherrn nicht ungestraft lebendig. Hätte die Sache gedauert, so würde
die natürliche Schwerkraft alsbald gewirkt und die verfassungsmässige Sou-
veränetät der Einzelstaaten zu einer blossen Titulatur gemacht haben. Die
Südstaaten waren einfach eine Union, die sich von der alten nur dadurch
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