— 365 —
auf welchen unsere Reichsinstitutionen beruhen, in unverbrüch-
licher Treue aufrecht zu erhalten und zu handhaben ’®®.“
Deutlich erklingt auch in diesen Reden das fragende Motiv
aus der Paulskirche: wie kann aus Monarchien ein Bundesstaat
geformt werden? Aber die Antwort ist fest und bestimmt aus
einer anderen Tonart gegeben. „Ich glaube*, sagt Bismarck,
„dass der Bundesrat eine grosse Zukunft hat, indem er zum
ersten Male den Versuch macht der monarchischen Spitze, ohne
die Wohlthaten der monarchischen Gewalt dem Einzelstaat zu
nehmen, und in seiner höchsten Spitze als föderatives Kollegium
sich einigt, um die Souveränetät des gesamten Reiches zu üben;
denn die Souveränetät ruht nicht beim Kaiser, sie ruht bei der
Gesamtheit der verbündeten Regierungen ?’.“ Nur in Gestalt
solcher vertragsmässiger Einigung der Souveräne ist ein monar-
chischer Bundesstaat möglich; der einheitliche Souverän, der für
republikanische Verhältnisse selbstverständlich ist und der sich
dort auch mit dem Bundesstaate verträgt, führt hier zum Ein-
heitsstaat. Es wäre ja, meint der grosse Kanzler, denkbar, was
die Unitarier wünschen, „dass eine einheitliche Spitze mit monar-
chischem Charakter geschaffen wäre. Dann aber haben Sie kein
Bundesverhältnis mehr, dann haben Sie die Mediatisierung.
Diese Mediatisierung ist von unseren Bundesgenossen weder ge-
billigt noch erstrebt“ ®.
So tritt der monarchische Bundesstaat selbstbewusst und
seiner Eigenart sicher neben sein republikanisches Gegenstück,
um das gleiche politische Ziel in den Formen zu erreichen, die
seiner Natur entsprechen. So Bismarck °®.
mm mm
®° Hırrus Annalen 1886 S. 350ff.
»7” Reichstagsrede 19. April 1871.
»® Reichstagsrede 11. März 1867.
* Rosın in seinem Rektoratsprogramm 1897 hat in sehr gelungener
Weise aus den Reden Bısmarcks Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre
zusammengestellt. Es entgeht ihm natürlich nicht, dass Bismarck das Reich
als einen Bund auffasst mit einem fortdauernd als Grundlage gedachten