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ihrem theoretischen System zu Grunde liegenden materialistischen
Geschichtsauffassung. Wenn danach jede Rechtsordnung ledig-
lich das Produkt der jeweiligen wirtschaftlichen Machtverhält-
nisse ist, so mag man allerdings getrost die organisatorische
Rechtsform des sozialistischen Staates der Zukunft überlassen,
die sie aus der gründlichen Umwälzung der wirtschaftlichen
Machtverhältnisse hervorgehen lassen wird. Bis dahin hat sich
also die Thätigkeit des wissenschaftlichen Sozialismus auf das
wirtschaftliche Gebiet zu konzentrieren und sich praktisch durch
eine unausgesetzte Kritik der bestehenden Zustände, die deren
Fehler und weitere Entwicklungstendenz den Massen zum Be-
wusstsein bringt, zu bethätigen.
Schon hiernach wird man a priori in MENGER trotz seines
Sozialismus einen Gegner der materialistischen Geschichtsauf-
fassung vermuten dürfen, da er es unternimmt, inmitten der noch
völlig unumgewälzten Wirtschaftsverhältnisse die Rechtsordnung
des sozialistischen Zukunftsstaates oder, um in seiner eigenen
Terminologie zu reden, des „volkstümlichen Arbeitsstaates* be-
grifflich zu konstruieren. Das ist im Sinne des Marxismus reine
Ideologie; denn ebensogut könne man das Wetter zur Zeit des
Zukunftsstaates prophezeien, wie die Rechtsordnung entwickeln,
welche dereinst das kollektivistische Wirtschaftsleben aus sich
erzeugen werde (vgl. auch STAMMLER: Wirtschaft und Recht
S. 65).
MeEnGEr dagegen geht von der Ueberzeugung aus, dass der
Sozialismus jene erste Aufgabe
„seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts durch eine fast unübersehbare
Litteratur von vorherrschend kritischem Charakter längst gelöst“ habe.
„Gegenwärtig, wo die sozialistische Weltanschauung sich allmählich
ihrer Verwirklichung nähert, ist es wohl an der Zeit, auch ihre
positive, organisatorische Seite mehr als bisher auszugestalten“.
Auch diese konstruktive Arbeit soll der sozialistischen Propa-
ganda dienen, und zwar der Propaganda unter den herrschenden
und den gebildeten Klassen in Deutschland und in anderen