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die politische, so müsste dieses Land des enwickeltsten Kapitalismus
dem sozialrevolutionären Umschlag am nächsten stehen: die
Frucht seiner politischen Freiheit aber sei es, dass es ihm in
Wahrheit unter allen europäischen Kulturländern am fernsten
steht, womit das Uebergewicht der rein politischen über die
wirtschaftlichen Motive erhärtet werde.
Demgegenüber seien die Deutschen das konservativste Volk
in Europa und hätten gleichzeitig die zahlreichste und best-
organisierte sozialrevolutionäre Partei der Welt; das sei die
Frucht der politischen Unfreiheit. Jedoch mache es die geringe
politische Schlagkraft des deutschen Volkscharakters, die aus
dessen ganzer geschichtlicher Entwicklung spräche, wahrscheinlich,
dass die besitzlosen Volksklassen, wenn einmal die politischen
Geschicke Deutschlands in ihren Händen ruhen sollten, dennoch
nicht zur Beseitigung der Monarchie schreiten werden. Freilich seı
die gründliche Vereinfachung und volkstümliche Umgestaltung von
Hof, Heer und Beamtentum die unerlässliche Voraussetzung für die
Aufrechterhaltung der Monarchie bei Einführung des volkstüm-
lichen Arbeitsstaates.. Der späteste Termin für ein solches
Kompromiss sei dann gegeben,
„wenn unsere durch den Ziffernwahnsinn der militärischen Kreise ins Un-
gemessene vermehrten Land- und Seestreitkräfte sich in den Händen ihrer
Führer als ein unsicheres Werkzeug erweisen werden“.
Wenn sich übrigens MENGER für die Möglichkeit einer Ver-
ständigung zwischen Monarchie und Sozialismus auf das historische
Vorbild der Beziehungen zwischen dem römischen Cäsarismus
und dem Ohristentum beruft: erst blutige Verfolgung der Christen,
dann Erhebung des Christentums zur Staatsreligion und ebenso
blutige Verfolgung der Heiden, so vergisst er an dieser Stelle,
was er an anderen Stellen nachdrücklich betont, dass nämlich
gerade in seinem sozialen Charakter das Christentum durch die
Erhebung zur Staatsreligion völlig umgestaltet wurde. Ein
soziales Königtum dürfte sich zum Sozialismus, wie ihn MENGER