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meint, nicht viel anders verhalten als die herrschende Kirche
zum Urchristentum.
Neben das Staatsoberhaupt stellt MenGER ein Parlament
nach Zweikammersystem; die Wahlkammer etwa nach dem
Muster der heute aus dem allgemeinen Stimmrecht hervor-
gehenden Volksvertretungen, nur unter Ausdehnung des aktiven
und passiven Wahlrechts auf die Frauen; daneben eine erste
Kammer, gebildet aus den obersten aktiven und inaktiven Staats-
beamten sowie den Spitzen von Wissenschaft, Kunst und Littera-
tur, die durch Wahl oder Ernennung zu bestellen wären! Dass
diese erste Kammer hier in überaus schwankender Gestalt er-
scheint, da gerade die für ihr Wesen entscheidende Frage, ob
und von wem ihre Mitglieder ernannt oder gewählt werden
sollen, dahingestellt bleibt, sei nur nebenbei erwähnt. Zu der
parlamentarischen Gesetzgebung soll das Referendum hinzutreten.
Das Zweikammersystem hält MEnGER deshalb für notwendig, weil
es sich im volkstümlichen Arbeitsstaat wesentlich um soziale, nicht
um politische Aufgaben handle; bei jenen aber jede Uebereilung
doppelt gefährlich sei. Denn die grössten Wandlungen der politi-
schen Macht seien leicht rückgängig zu machen; soziale Um-
wälzungen dagegen schaffen fast immer unwiderrufliche That-
sachen. Diese ganz richtige Erwägung hätte nın MENGER zu der
Erkenntnis führen müssen, von welch entscheidender Bedeutung
angesichts der allumfassenden Kompetenz seines Zukunftsstaates
die organisatorischen Rechtsnormen, die rechtliche Verteilung
jener allumfassenden Staatskompetenz an die verschiedenen Staats-
organe und ihr Rechtsverhältnis zu einander sind. Gerade an
‘liesem Punkte aber versagt sein System völlig.
Es ist bezeichnend für die Naivität, mit der MENnGER diese
Dinge betrachtet, dass er für eine der wichtigsten organisatori-
schen Abänderungen die Ausdehnung der Gesetzgebungsgewalt
auf die Kriegserklärung hält. Als ob es in dem Augenblicke,
da die politische Konstellation bis zur Frage der Kriegserklärung
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