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Machthaber denkt, würden nach wie vor die individuellen Inter-
essen der Machthaber als Staatszweck proklamiert. Es hiesse
also einfach: öte-toi que je m’y mette; es wäre ein sozialer Rollen-
tausch in ähnlicher Art wie RousseAus Theorie auf einen poli-
tischen Rollentausch zwischen dem absoluten König, dem ein-
köpfigen Despoten, und dem absoluten Volke, dem vielköpfigen
Despoten, hinauslief.
Aber, sagt man wohl, das ist reine Theorie; praktisch wäre
es doch der gewaltigste Fortschritt, wenn nicht mehr die indi-
viduellen Interessen einer verschwindenden Minderheit, sondern
die der erdrückenden Mehrheit entscheidend wären. Ach, in
Wahrheit würde praktisch nicht einmal jener Rollentausch
herauskommen, vielmehr vollends alles beim alten bleiben. Was
sind denn die individuellen Lebenszwecke der breiten Volks-
massen? MENGER antwortet: die allgemeinsten Zwecke der
Menschen überhaupt, nämlich persönliche Sicherheit, eine menschen-
würdige Lebenshaltung und ein geordnetes Familienleben. Indessen
ist mit diesen allgemeinen Formeln praktisch noch gar nichts ge-
wonnen; entscheidend sind allein Natur und Art der staatlichen
Willensakte, durch welche jene theoretischen Ziele erreicht werden
sollen. MENGER weist ja selbst darauf hin, dass die jakobinische
Verfassung von 1793, die kommunistischen Verfassungsentwürfe
BABEUFsS und die heutigen Verfassungsurkunden Nordamerikas,
der Schweiz und des Deutschen Reichs in vollkommener Ueberein-
stimmung das Volkswohl als obersten Staatszweck proklamieren.
Allein entscheidend ist es also, welche Organe die auf Erreichung
der angeblichen Staatszwecke gerichteten staatlichen Willensakte
rechtsgültig vornehmen, und wie diese Organe bestellt werden;
mit anderen Worten die rechtliche Organisation des Staates.
Nach dem uns bekannten Zukunftsstaatsrecht MENGERs würden
im wesentlichen die obersten Wirtschaftsbehörden massgeblich
bestimmen, was für eine menschenwürdige Lebenshaltung und
ein geordnetes Familienleben der breiten Volksmassen notwendig