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Interessen als Staatszwecke nur deshalb und nur insoweit setzen,
weil und insoweit sie nach Beschaffenheit der staatlichen Willens-
organisation ihren Individualwillen rechtsverbindlich als Staats-
willen äussern können. Aller politische Fortschritt in der Richtung
einer höheren Geltung der „breiten Volksmasse“ besteht also
nicht darin, dass ihre individuellen Lebenszwecke als Staats-
zwecke proklamiert werden — das ist eine praktisch wirkungslose
Phrase —; vielmehr in einer solchen staatsrechtlichen Organi-
sation, durch die nach Möglichkeit der Gemeinwille, nicht der
Individualwille der Staatsorgane, als rechtsverbindlicher Ausdruck
des Staatswillens in die Erscheinung tritt. Die juristisch be-
griffliche Grundlage dafür ist aber recht eigentlich die An-
schauung, die MENGER mit solchem Nachdruck verwirft, die
juristische Konstruktion des Staates wie aller politischen Gemein-
wesen als selbständiger Persönlichkeiten über ihren Organen,
und zwar als Gesamtpersonen, welche die organische Einheit in
der Vielheit ihrer Gliedpersonen sind. Das ist das Wesen der
organischen Staatstheorie.
Konsequent in seiner Inkonsequenz zeigt sich MENGER, in-
dem er noch entschiedener als die Theorie von der Staats-
persönlichkeit überhaupt deren entwickeltste Form, eben die
organische Theorie, verwirft (S. 39 f.). Soweit diese Verwerfung
sich auf das alte und scheinbar ebenso unausrottbare wie grobe
Missverständnis gründet, dass diese Theorie die sozialen mit den
physischen Organismen „vergleiche“, mag ich das oft Gesagte
nicht immer und immer wiederholen. MENGER hält es für einen
logischen Fehler der organischen Theorie, „dass sie das Unbe-
kannte oder richtiger das Verwickelte durch das noch Unbekanntere
zu erläutern versucht“. Ob nun das Wesen der physischen oder
der sozialen Organismen unbekannter und verwickelter sei, mag
füglich dahingestellt bleiben und könnte für die Logik der
Methode doch nur dann in Betracht kommen, wenn sie wirklich
das eine mit dem anderen vergliche, oder eins durch das andere
Archiv für öffentliches Recht. XVII. 3. 98