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Bei den Urteilen der englischen und nordamerikanischen
Gerichte ist es üblich, neben den Gründen der Majorität auch
die der Minorität anzuführen. Ein Mitglied der Majorität führte
für sein Votum ausserdem an, dass nach seiner Ansicht die Ab-
teilung von Matrosen der russischen Marine, zu welcher A. ge-
hört habe, mit Erlaubnis der Regierung als ein Teil der bewaff-
neten Macht eines befreundeten Staates das Gebiet der Ver-
einigten Staaten betreten habe, und dass daher die Verpflichtung
zur Auslieferung auch aus allgemeinen völkerrechtlichen Grund-
sätzen, abgesehen von den Staatsverträgen, folge.
Die Minorität des Gerichtshofs!, welche aus vier Mitgliedern
bestand, begründete ihr abweichendes Votum folgendermassen:
Als im Jahre 1900 die Verhaftung des A. angeordnet worden,
sei das Schiff noch im Gewahrsam der Bauunternehmer gewesen;
es sei damals noch nicht vollendet gewesen, auch nicht von der
russischen Regierung abgenommen; viele Leute der Unternehmer
hätten noch daran gearbeitet, und nur ungefähr 80 °/o des Preises
seien bezahlt gewesen. A. sei niemals auf dem Schiffe gewesen,
habe niemals eine Urkunde als Mitglied der Mannschaft des-
selben unterschrieben, weder als Seemann noch als Kranken-
wärter; er habe in der Zeit vom Oktober 1899 bis zum April
1900 mit den übrigen Leuten der Abteilung, mit welcher er an-
gekommen sei, am Lande gelebt, habe sich mit den anderen
photographieren lassen, habe Ausrüstung, Unterhalt und Lobn
von der russischen Regierung erhalten und seine Öbliegenheiten
als Krankenwärter versehen. Die Jurisdiktion eines jeden
Staates innerhalb seiner Grenzen sei absolut und unbeschränkt.
Von dieser Regel könnten Ausnahmen nur durch einen Staats-
vertrag oder durch Gesetz gemacht werden. In dem 1812 ent-
schiedenen Falle des Schiffes Exchange sei ausgesprochen, dass, da
das Schiff Exchange ein Kriegsschiff eines Staates, mit welchem
die Vereinigten Staaten in Frieden lebten, gewesen sei und in
! Der Gerichtshof besteht aus neun Mitgliedern.
Archiv für öffentliches Recht. XVII. 4. 41