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Auch in den Vorbehaltsgebieten des Bürgerlichen
Gesetzbuches kann nur durch genaue Untersuchung des Umfangs
des Vorbehalts und des Inhalts landesrechtlicher vormund-
schaftlicher Bestimmungen die Grenze zwischen Reichs- und
Landesrecht ersichtlich sein. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat
keineswegs die Einteilung: Reichsprivatrecht und öffentliches
Landesrecht mit dem Einführungsgesetz geschaffen, es enthalten
Art. 59—153 nach unbestrittener Ansicht landesrechtliche Ma-
terien privatrechtlichen Charakters. Wer daher annimmt, die
Vormundschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches beherrsche nach
dem Kodifikationsgrundsatze des Art. 55 E.-G. alle Fragen des
Privatrechtes, muss die Frage der Zulässigkeit vormundschaft-
licher Bestimmungen in den Vorbehaltsgebieten verneinen, zumal
wenn sie der entsprechenden Regelung im Bürgerlichen Gesetz-
buch widersprechen. Allein die Landesgesetzgebung hat in diesen
(Gebieten ihre Zuständigkeit nicht verloren, ihre Vorschriften sind
unter dem hier hervorgehobenen Gesichtspunkte eines
publizistischen Zubehörs zu den einzelnen privatrechtlichen
Materien leichtverständlich und auch in Zukunft nach 8 218 E.-G.
zulässig. Ergiebt z. B. eingehende Prüfung des Vorbehalts-
gebietes, dass die vormundschaftliche Vertretungsmacht durch
(Genehmigungsakte des Obervormundes nicht eingeschränkt ist, so
ist die Anwendung des reichsrechtlichen Genehmigungsrechtes
ausgeschlossen. So wird von SCHULTZENSTEIN® und KÖHnE
die Anwendbarkeit des & 1822 No. 7 zu einem auf die Ein-
gehung eines Gesindedienstes für längere Zeit als ein Jahr
gerichteten Vertrage nach Art. 95 E.-G. z. B. G.-B. nicht für
erforderlich gehalten, da 8 6 der preuss. Gesindeordnung vom
8. Nov. 1810 die obervormundschaftliche Thätigkeit nicht zu-
lässt. Wie selbständig das neue Landesrecht in diesen Materien
gestellt ist, geht aus folgenden Beispielen hervor: Art. 285
® Das deutsche Vormundschaftsrecht und das preuss. Gesetz vom 2, Juli
1900 über die Fürsorgeerziehung, 2. Aufl., Berlin 1901 bei Guttentag.