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städtischen Amtsrechts beleuchtet und aufklärt; die historische Entwicklung
der Rechtsbildung seit der Stemschen Städteordnung wird überall dargelegt
und das positive Recht wird von dem vom Verf. eingenommenen Standpunkt aus
einer scharfsinnigen, konsequenten und sehr freimütigen Kritik unterzogen.
Allerdings hat diese Kritik, was die Form anlangt, sehr häufig einen höhnischen
und witzelnden Ton, der nicht angenehm berührt, und sachlich ist sie tendenziös
und beruht auf einer grossen Abneigung gegen die preussische Bureaukratie
und auf einer ebenso grossen Vorliebe für die kommunale Selbstverwaltung.
Da ohne Zweifel nicht alle Leser diese Werturteile des Verf. billigen und
keineswegs in der unbeschränkten Durchführung der Selbstverwaltung in
dem vom Verf. entwickelten Sinne eine unbedingt heilsame und empfehlens-
werte Einrichtung erblicken, so schwächt der Verf. den Eindruck einer rein
objektiven Darstellung ab und reizt zum Widerspruch. Ueber die Licht-
und Schattenseiten der Selbstverwaltung soll in dieser Anzeige nicht ge-
handelt und mit dem Verf. nicht gestritten, sondern nur hervorgehoben
werden, dass er auf einem stark prononziertem Parteistandpunkt steht und
dass seine oft sehr siegesgewisse Polemik doch nur für denjenigen über-
zeugend wirkt, welcher denselben Parteistandpunkt wie er einnimmt. Ich
beschränke mich hier auf die juristischen Konstruktionen des Verf.
Es ist allen Kennern der deutschen staatsrechtlichen Litteratur bekannt,
dass der Verf. ein eifriger, ja man kann sagen, begeisterter Anhänger der
sogenannten organischen Staatslehre und neben GIERKE ihr bedeutendster
Verfechter ist, und da die Zahl der Anhänger dieser Theorie in der Litte-
ratur keine grosse ist, so ist um so grösser die Energie, mit welcher sie
diese Auffassung zu verteidigen und zur Geltung zu bringen suchen. Der
Verf. hat in einer Anzahl von Abhandlungen neuerdings wieder die theo-
retischen Grundlagen dieser Lehre entwickelt und sie gegen die dagegen
erhobenen Angriffe zu verteidigen gesucht, und auch die vorliegende Mono-
graphie soll den Beweis führen, dass eine logisch einheitliche und wider-
spruchslose Darstellung des Gemeinderechts und insbesondere des Kommunal-
beamtenrechts vom Standpunkt der organischen Theorie aus nicht nur
möglich, sondern allein möglich ist. Unter diesem Gesichtswinkel wird
alles betrachtet, dargestellt, kritisch beurteilt. Was sich mit dieser Auf-
fassung vereinigt, wird als gesetzgeberische, richterliche, wissenschaftliche
Weisheit gerühmt; was entgegensteht, ist Verirrung, Rückfall in überwun-
dene Rechtszustände und Auffassungen, Wahnvorstellung, „Dienstvertragsfieber“.
Es würde den Umfang einer Anzeige weit überschreiten, die organische
Staats- und Gemeindelehre in ihren theoretischen Grundlagen hier aus-
einander zu legen und kritisch zu erörtern; das würde selbst eine Mono-
graphie erfordern und kann umso eher unterbleiben, als dies bereits schon
oft und gründlich geschehen ist und auch die neueren Veröffentlichungen
von PREUSS wesentlich neue Stützpunkte für diese Theorie nicht beigebracht,
sondern nur die alten in besonders eindringlicher und beredter Weise wieder-