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Die Befugnis zur Fortführung
des Meistertitels und zur Lehrlingsanleitung
auf Grund des Gesetzes vom 26. Juli 1897.
Von
Dr. B. HıLse, Kreisgerichtsrat a. D. in Berlin.
In Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des zweiten ost-
deutschen Handwerkskammertages vertreten einzelne Verwaltungs-
behörden, so der Oberpräsident der Provinz Westpreussen und
der Regierungspräsident zu Königsberg ı. Pr., die Ansicht, es
seien unter den Maurer-, Zimmerer-, Steinmetz-, Dachdecker-
und Brunnenbaugewerbetreibenden nur diejenigen, die zur An-
fertigung von einfachen Bauzeichnungen, statischen Berechnungen,
Kostenanschlägen und Massenberechnungen fähig sind, als das
Gewerbe „persönlich selbständig“ ausübend anzusehen und dem-
gemäss zur Anleitung von Lehrlingen und zur Führung des
Meistertitels befugt. Dieselbe darf nicht unwiderlegt bleiben, weil
sie in direktem Widerspruche zu dem das heutige Gewerberecht
beherrschenden Grundsatze der Gewerbefreiheit und zu dem lei-
tenden Grundgedanken des Handwerksorganisationsgesetzes vom
26. Juli 1897 steht, welches die Stütze für sie bilden soll. Weder
der Sprachgebrauch des gewöhnlichen Lebens, noch die auf der
ausgebildeten Verkehrssitte beruhenden Handwerksgebräuche, noch
auch der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der einschlä-
gigen Rechtsregeln rechtfertigen solche. Nach ersterem ist jeder
selbständig, welcher nicht in einem Abhängigkeitsverhältnisse zu
einem andern steht, mithin der Inhaber eines auf eigenen Namen
und für eigene Rechnung betriebenen Gewerbes. Auf Grund