Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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das, in die Form eines Vertrages gekleidet, sich nicht mit bestimmten Rechts- 
befehlen an diejenigen wendet, die ihm unterworfen sein sollen, muss der 
Klarheit entbehren. 
Hamburg. Christian Behr. 
Dr. Edward G. Elliott, Die Staatslehre John C. Calhouns. (Staats- 
und völkerrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Jellinek und 
Anschütz, IV, 2.) Leipzig, Duncker & Humblot, 1903. M. 1.80. 
Der Verf., wohl Ausländer, was manche undeutsche Wendungen in 
seiner Schrift zeigen, ist ein Schüler JELLINEKs, dessen Staatslchre ihm „die 
moderne Staatstheorie* schlechthin ist. Er unternimmt es, die Staatslehre 
des berühmten amerikanischen Staatsmannes CALHoun, der 1850 gestorben ist, 
zur Darstellung zu bringen, um zu zeigen, wie CALHOUN dazu gekommen ist, 
das Sezessionsrecht der Einzelstaaten zu verteidigen. Nun ist das aber ein 
ınissliches Unternehmen. ÜCALHOoUN selbst hatte, als er kurz vor seinem Tode 
seine „Disquisition of Government“ verfasste, gar nicht die Absicht, eine 
Lehre vom Staate zu schreiben. Er wollte vielmehr zeigen, wie ein Staat 
durch seine Verfassung verhindert werden könne, die Befugnisse der Staats- 
gewalt in Mittel der Unterdrückung zu verwandeln. OALHOUN ist eben nicht, 
von einer allgemeinen Theorie ausgehend, zu bestimmten Folgerungen im 
einzelnen gekommen, sondern hat, nachdem er in einer Einzelfrage eine be- 
stimmte Stellung eingenommen hatte, diese später theoretisch zu begründen 
gesucht. Ist doch, wie Houston in seiner gründlichen Arbeit (A critical 
study of Nullification in South Carolina) in den Harvard historical Studies, 
die ELLIOTT ganz entgangen ist, nachgewiesen hat, CALHOUN erst durch seinen 
Heimatstaat, Süd-Carolina, zu seiner Theorie gekommen. Denn während 
vor 1828 CAaLHoun noch, wie ein in OALHouns Werken nicht enthaltener, 
erst 1893 veröffentlichter Brief zeigt, zugab, dass es eine Macht gäbe, die 
auch ohne die Zustimmung der Einzelstaaten Gesetze geben könne, hat 
HaynE von S.-C. schon 1824 die Meinung verfochten, dass die Einzelstaaten 
freie und unabhängige Souveräne seien, und TURNBULL in der Broschüre 
„Die Krisis“, 1827 offen mit Sezession gedroht. 
Wenn die eigentliche Staatslehre CALHouns wenig Originelles enthält, 
so sind doch seine Folgerungen in zweifacher Hinsicht auch jetzt noch von 
Interesse. Einmal tritt CALHOUN für ein gewisses Recht der Minorität auf 
Berücksichtigung ein! Er leugnet, um dies Recht zu konstituieren, daher 
das sonst in Amerika so heilig gehaltene Prinzip, dass die Mehrheit der 
Bevölkerung zu bestimmen habe, und scheut sich nicht zu sagen, der 
Grundsatz von der allgemeinen Gleichheit der Bewohner eines Staates, auf 
dem doch die Anuahme beruht, die grössere Zahl, also die Quantität, nicht 
die Qualität, entscheide, sei falsch! Zweitens aber hat CALHOUN zum erstenmal 
klar und scharf die Frage gestellt, wer im Bundesstaat Träger der Souve-
	        
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