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diesem Zweck ergibt sich, dass man nicht nur von einem Auf-
sichtsrecht, sondern auch von einer Aufsichtspflicht sprechen
kann, welche dem ersteren entspricht, und es folgt daraus weiter,
dass zur Geltendmachung der Aufsichtsgewalt nicht der Antrag
eines dritten auf Einschreiten erfordert wird, sondern dass die
Aufsichtsbehörde von sich aus vorzugehen hat, sobald ein Ver-
halten der Korporation zu ihrer Kenntnis kommt, das eine Ver-
letzung der bestehenden Rechtsvorschriften enthält. Der angegebene
Zweck der Aufsichtsgewalt ermöglicht ohne weiteres die Abgren-
zung der Autonomie; soweit die Verbände ihre auf Gesetz und
Statut beruhenden Verpflichtungen erfüllen, kann die Aufsichts-
behörde aus Gründen der Zweckmässigkeit nicht gegen sie ein-
schreiten; „Einwirkungen auf den Verband“, sagt Rosın, „welche
ihn bei seiner freien, nach Zweckmässigkeitsgründen sich bestim-
menden Anpassung an die konkreten Lebensverhältnisse nach der
einen oder andern Richtung beeinflussen sollen, gehen über das
Mass der Aufsicht als solcher hinaus!.“
Hierüber besteht in der Rechtslehre kein Streit und auch
die Gesetzgebung steht durchaus auf dem Boden dieser Ansicht,
obwohl nicht geleugnet werden kann, dass sich in den ver-
schiedenen Gesetzen manche Bestimmungen finden, welche mit
der konsequenten Durchführung dieses Gedankens nicht voll-
ständig in Einklang stehen. Solange man an dem Grundsatze
festhält, dass die Versicherungsträger autonome Verwaltung aus-
zuüben berechtigt sein sollen, kann auch die staatliche Aufsicht
die aus dem Gesagten sich ergebenden Grenzen nicht über-
schreiten; ein Heraustreten aus denselben würde die staatliche
Macht derart verstärken, dass die Vernichtung der Selbst-
verwaltung die notwendige Folge wäre; denn es ist einleuchtend,
dass von einer Selbstverwaltung nicht mehr gesprochen werden
kann, wenn die staatliche Beaufsichtigung auch aus Zweckmässig-
! Recht der Arbeiterversicherung I 704.