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ebenbürtig mit dem hohen Adel des Reiches gehalten. Wer
insbesondere aus MOSER mehr herausliest, liest etwas heraus,
was Moser unzweifelhaft gar nicht hat sagen wollen.
Die Gründe, weshalb man dazu kam, diesen Unterschied
hinsichtlich der Ebenbürtigkeit mit dem hohen Adel zwischen
stiftsmässigem und nichtstiftsmässigem niederen Adel zu machen,
sind deutlich genug. Der stiftsmässige Adel, aber nur dieser,
besetzte im heiligen römischen Reiche deutscher Nation jene
schönen Fürstenstühle, über welche man in der „Geschichte der
kleinen deutschen Höfe“ von Dr. Epuarp VEHSsE: 11. Teil „Die
geistlichen Höfe“, Hamburg 1859, so vieles Merkwürdige nach-
lesen kann: die Kurfürstenstühle von Mainz, Köln und Trier,
den Erzbischofsitz von Salzburg, die Bistümer von Würzburg,
Bamberg, Münster, Paderborn, Osnabrück, Strassburg usw. usw.
Diese geistlichen Herren waren Fürsten so gut wie die welt-
lichen Fürsten des Reiches; sie herrschten über Land und Leute,
sie hatten Höfe wie die weltlichen Fürsten, an ihren Höfen
befanden sich Damen wie an den Höfen von diesen: Mütter,
Schwestern, Tanten, Basen, Nichten; diese Damen nahmen an
solchen geistlichen Höfen eine naturgemäss gleiche Stellung ein
wie die Ehefrauen, Mütter, Schwestern, Tanten, Basen und Nich-
ten der Landesherren an den weltlichen Höfen. Sie gehörten
zur „herrschenden Klasse“ wie die weiblichen Verwandten der
weltlichen Fürsten, gegenüber den Untertanen. Es ist somit
klar, dass die Damen aus den stiftsmässigen Familien eine andere
gesellschaftliche Stellung hatten, wie die Damen aus nichtstifts-
mässigen. Es lässt sich ausserdem genau verfolgen, dass die
weltlichen Kurfürsten und Fürsten auf den Reichstagen stets den
Grundsatz der strengen Ebenbürtigkeit, d. h. ausschliesslich der
des hohen Adels vertraten, dass die geistlichen Kurfürsten, im
Gegensatze hierzu, Anhänger der milden Ebenbürtigkeitslehre,
d. h. derjenigen des niederen Adels, aber nur des stiftsmässigen
waren.
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