Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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des Realkredits, freier zu stellen, um ihm die zweckmässige Bewirtschaftung 
des Fideikommissgutes zu erleichtern, dazu geführt habe, die Bestimmungen 
über Veräusserung und Belastung des fideikommissarischen Grundbesitzes 
so weit zu fassen, dass bei Uebereinstimmung des Besitzers mit dem Fa- 
milienrat ein Fideikommiss auf viele Jahrzehnte hinaus völlig entwertet 
werden könne (S. 20 ff.). Anderseits habe der Gesetzgeber zu wenig darauf 
Rücksicht genommen, die Stellung des Fideikommissbesitzers innerhalb 
der Familie zu heben, ihn vielmehr in ein drückendes Abhängigkeits- 
verhältnis zum Familienrat gebracht (S. 119 ff.). 
Nach beiden Richtungen ist dem Verf. nicht beizupflichten. Er unter- 
schätzt namentlich den Einfluss der Fideikommissbehörde. Denn wie 
der Fideikommissbesitzer einerseits im Wege des Widerspruchs gegen un- 
berechtigte Genehmigungsversagung des Familienrates die Entscheidung der 
Fideikommissbehörde anrufen kann ($& 36 Abs. 2), so ist diese anderseits 
auch gehalten, vor Erteilung der erforderlichen Bestätigung vom Familien- 
rate genehmigter Veräusserungen oder Belastungen des Fideikommissgutes 
(8 35 Abs. 1) genau zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorhanden 
sind. — Zu vgl. besondere Begründung S. 91, 
Dagegen ist dem Verf. jedenfalls beizustimmen, wenn er die Bestimmung 
ım 8 66 des Entwurfs missbilligt, worin die sämtlichen Vorschriften über die 
Rechte und Pflichten des Fideikommissbesitzers für dispositives Recht 
erklärt werden, so dass es dem Stifter frei steht, ob er den Fideikommiss- 
besitzer noch mehr beschränken, oder freier stellen will, als es nach dem 
Entwurfe der Fall ist. Denn wenn auch der Willkür in dieser Beziehung 
durch die nach 8 8 des Entwurfs erforderliche Königliche Genehmigung der 
Stiftungsurkunde eine Grenze gezogen ist, so wäre im Interesse einheitlicher 
Rechtsbildung doch jedenfalls zu wünschen, dass sämtliche Vorschriften des 
3. Abschnittes zwingendes Recht werden, zumal sowohl das Interesse des 
Fideikommissbesitzers als auch dasjenige der Anwärter darauf hinweist, den 
Vorschriften des Entwurfs zwingenden Charakter beizulegen. Vgl. auch $ 52 
des Kgl. Sächs. Gesetzes über Familienanwartschaften vom 7. Juli 1900. 
Auf die interessanten Einzelheiten des Buches näher einzugehen, würde 
hier zu weit führen. Wenn man auch dem Verf. nicht überall beipflichten 
kann, z. B. wenn er die Objektivität der Fideikommissbehörde als Wider- 
spruchsinstanz bezweifelt — S. 19 —, und die Zusammensetzung des Familien- 
rates bemängelt — S. 30ff. —, oder wenn er tadelt, dass Familienbeschlüsse 
stets der Zustimmung des Familienrates bedürfen sollen — S. 46ff. —, so 
enthält die Schrift doch viel Beachtenswertes und regt schon durch die 
Selbständigkeit der Auffassung den Leser zur Mitprüfung der einzelnen 
Fragen an. 
Dr. J. Keller.
	        
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