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des Realkredits, freier zu stellen, um ihm die zweckmässige Bewirtschaftung
des Fideikommissgutes zu erleichtern, dazu geführt habe, die Bestimmungen
über Veräusserung und Belastung des fideikommissarischen Grundbesitzes
so weit zu fassen, dass bei Uebereinstimmung des Besitzers mit dem Fa-
milienrat ein Fideikommiss auf viele Jahrzehnte hinaus völlig entwertet
werden könne (S. 20 ff.). Anderseits habe der Gesetzgeber zu wenig darauf
Rücksicht genommen, die Stellung des Fideikommissbesitzers innerhalb
der Familie zu heben, ihn vielmehr in ein drückendes Abhängigkeits-
verhältnis zum Familienrat gebracht (S. 119 ff.).
Nach beiden Richtungen ist dem Verf. nicht beizupflichten. Er unter-
schätzt namentlich den Einfluss der Fideikommissbehörde. Denn wie
der Fideikommissbesitzer einerseits im Wege des Widerspruchs gegen un-
berechtigte Genehmigungsversagung des Familienrates die Entscheidung der
Fideikommissbehörde anrufen kann ($& 36 Abs. 2), so ist diese anderseits
auch gehalten, vor Erteilung der erforderlichen Bestätigung vom Familien-
rate genehmigter Veräusserungen oder Belastungen des Fideikommissgutes
(8 35 Abs. 1) genau zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorhanden
sind. — Zu vgl. besondere Begründung S. 91,
Dagegen ist dem Verf. jedenfalls beizustimmen, wenn er die Bestimmung
ım 8 66 des Entwurfs missbilligt, worin die sämtlichen Vorschriften über die
Rechte und Pflichten des Fideikommissbesitzers für dispositives Recht
erklärt werden, so dass es dem Stifter frei steht, ob er den Fideikommiss-
besitzer noch mehr beschränken, oder freier stellen will, als es nach dem
Entwurfe der Fall ist. Denn wenn auch der Willkür in dieser Beziehung
durch die nach 8 8 des Entwurfs erforderliche Königliche Genehmigung der
Stiftungsurkunde eine Grenze gezogen ist, so wäre im Interesse einheitlicher
Rechtsbildung doch jedenfalls zu wünschen, dass sämtliche Vorschriften des
3. Abschnittes zwingendes Recht werden, zumal sowohl das Interesse des
Fideikommissbesitzers als auch dasjenige der Anwärter darauf hinweist, den
Vorschriften des Entwurfs zwingenden Charakter beizulegen. Vgl. auch $ 52
des Kgl. Sächs. Gesetzes über Familienanwartschaften vom 7. Juli 1900.
Auf die interessanten Einzelheiten des Buches näher einzugehen, würde
hier zu weit führen. Wenn man auch dem Verf. nicht überall beipflichten
kann, z. B. wenn er die Objektivität der Fideikommissbehörde als Wider-
spruchsinstanz bezweifelt — S. 19 —, und die Zusammensetzung des Familien-
rates bemängelt — S. 30ff. —, oder wenn er tadelt, dass Familienbeschlüsse
stets der Zustimmung des Familienrates bedürfen sollen — S. 46ff. —, so
enthält die Schrift doch viel Beachtenswertes und regt schon durch die
Selbständigkeit der Auffassung den Leser zur Mitprüfung der einzelnen
Fragen an.
Dr. J. Keller.