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anderwärts und so auch im Deutschen Reiche längst Gesetz und Recht ist,
Die vorliegende Monographie lässt erkennen, dass der Verf. scharf beobachtet,
mit Kennerblick den Stoff gesichtet hat. Er ist in Deutschland kein Fremder
und hat sich bei seiner menschenfreundlichen Bestrebung der Unterstützung
massgebender Persönlichkeiten und Kreise in dankenswerter Weise zu erfreuen
gehabt. Was uns daher geboten wird, ist ein objektiv einwandfreies Bild
bestehender Verhältnisse, zunächst aus einem Lande, welches in Bezug auf
die Erfüllung sozialpolitischer Aufgaben im Deutschen Reiche mit am höch-
sten steht. Ist daher der eben erschienene Teil von Dr. REIcHERs Werk ein
besonders schätzenswerter Beitrag zur Kenntnis der öffentlichen Fürsorge
für die verwahrloste Jugend, so berechtigt er zu hohen Erwartungen hin-
sichtlich dessen, was Verf. an Erfahrungen aus andern Ländern darbieten
wird. Jedenfalls verfehlen wir nicht, Dr. REicHErRs Arbeit der Berücksichtigung
auf das wärmste zu empfehlen.
Leipzig. Wengler, Oberregierungsrat.
Dr. jur. H. Bail, Stadtrat, z. Zt. stellv. Vorsitzender des Gewerbegerichts in
Danzig, Das Rechtsverhältnis der Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer in Handwerk, Industrie und Handelsgewerbe auf Grund der
Reichsgesetze und ihrer Ausgestaltung durch Wissenschaft und Recht-
sprechung. Berlin, Verlag von A. W. Hayns Erben. Geheftet 4 M.,
gebunden 5 M.
Der Verf. hat sehr recht, wenn er in seinem Vorwort auf Grund lang-
Jähriger Erfahrungen davon spricht, wie unbekannt im allgemeinen Arbeit-
geber und Arbeitnehmer im Gewerbe mit denjenigen gesetzlichen Bestim-
mungen sind, die ihr Verhältnis zueinander betreffen. Macht man diese Er-
fahrungen zwar vielfach auch anderwärts, so mögen sie allerdings am auffallend-
sten bei der gewerblichen Tätigkeit hervortreten; dies beweist die hohe Ziffer
der im Jahre 1901 vor 313 Gewerbegerichten verhandelten Prozesse, nänılich
‘0227. Denn es ist ohne weiteres zu bestätigen, dass sich viele dieser
Streitigkeiten bei besserer Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften seitens der
Parteien hätten vermeiden lassen. Nun hege ich zwar den Zweifel, ob die
Versorgung der beteiligten Kreise mit guten Arbeiten über den Arbeits-
vertrag und was sonst alles Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein kann, zu einer Beseitigung dieses
Uebelstandes führen wird, da der Grund zu letzterem doch vielfach in Um-
ständen liegt, die auch durch noch so viel aufgewendete Geistesarbeit nicht
weggeschafft werden, namentlich in dem Mangel an Zeit bei den Beteiligten,
sich mit den einschlagenden Fragen zu beschäftigen, oft auch in dem geringen
Verständnis für sie, ja sogar in der offenbar absichtlichen Nichtachtung der
bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Man muss es aber mit hoher
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