Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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mänpischer und wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit stehender Mann zu 
Zeugen der Entstehung, der Ausgestaltung und praktischen Wirksamkeit des 
umfangreichen Kongostaates macht. E. Descamrs, der ernste Forscher 
und der mitschaffende Staatsmann, war hierzu in erster Linie berufen; er hat 
erheblichen persönlichen Anteil sowohl an den staatsrechtlichen und völker- 
rechtlichen Vorarbeiten für jenen bedeutungsvollen kolonialen Staatsbildungs- 
prozess, wie auch an den politischen Vorgängen, die die Genesis des 
Kongostaates so eng mit dem öffentlichen Leben des belgischen Staates ver- 
knüpft haben. — Unser Urteil über wichtige zeitgenössische Tatsachen und 
Zusammenhänge beruht meist auf fragmentarischen, aus der Tagespresse ge- 
schöpften Daten. Wer das auf exakter quellengeschichtlicher Forschung 
sicher aufgerichtete Werk Descamps’ durcharbeitet, wird au manchen Stellen 
zu einer Revision bisher feststehender Urteile und Vorurteile in Ansehung 
des grossen Kolonialstaates am Kongo gelangen. Man kommt beim Studium 
der vorliegenden Darstellung des Werdeganges des Etat civilisateur dans 
les pays neufs, bei Descamps’ Orientierung über die Ziele und treibenden 
Kräfte, die den König von Belgien zur entscheidenden Problemstellung ver- 
anlasst haben, zur Einsicht, dass die moderne Periode der kolonialen Land- 
nahme für Belgien doch einen ganz andern Exponenten aufweist als für alle 
andern europäischen Mächte und dass sich auch in diesem Falle wieder das 
grosse politische Ingenium des Hauses Koburg-Gotha aufs neue glänzend 
bewährt hat gegenüber den Schwierigkeiten des parlamentarischen Regiments, 
das seiner inneren Natur nach kolonialen Versuchen gegenüber die röntgen- 
artige durchdringende Voraussicht regelmässig vermissen lässt. — Parteilos 
und klar zeigt der gelehrte Verf. die Grösse der Aufgaben des neuen Staates 
an der Hand dessen alle Schwierigkeiten staatlicher und internationaler Natur 
steigernden örtlichen Lage; seinen Einfluss auf das moderne Kolonial- 
rechtssystem, das durch die Berliner Kongoakte auf der einen, die 
Brüsseler Antisklavereiakte auf der andern Seite eine völlige Erneuerung 
seines Gehalts an positiven Rechtsinstituten erfahren hat. Wer im Hinblick 
auf diesen reformatorischen Charakter des neugeschaffenen Handels-, Schiff- 
fahrts-, Personen- und Güterumlaufsrechts der kolonialen Staatsgebilde in 
Atrika den eingehenden Schilderungen Descamps’ folgt über den Aufbau und 
den systematischen Zusammenhang der Staatseinrichtungen des neuen grossen 
politischen Gebildes am Kongo, — der wird sich bei gerechter Würdigung der 
enormen Hemmnisse, die dem normalen Wirken des jungen Staates entgegen- 
standen und noch entgegenstehen, keineswegs den Blick trüben lassen durch 
die bisher in die Oeffentlichkeit gedrungenen Konfliktsfälle und Missgrifte ein- 
zelner Funktionäre aus dem Amtsapparat des Kongostaates. Er wird viel- 
mehr nicht ohne Bewunderung für die Leistungsfähigkeit des jungen Mechanis- 
mus sich nur über die verhältnismässig geringe Zahl von Dissonanzen und 
Interessenkämpfen wundern, die sich auf dem weiten Versuchsfeld moderner 
Staatskunst ereignet haben. Die für alle Zweige der Verwaltung und der
	        
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