— 346 —
falls die jüngeren Aerzte aber waren und sind in Städten mit
grossen Kassen auf die Kassenpraxis angewiesen, da die Kassen-
mitglieder mit ihren Angehörigen in der Regel den weitaus
grössten Teil derjenigen Bevölkerung bilden, deren Kranken-
behandlung den jungen Aerzten zunächst zuzufallen pflegt, in
Leipzigs Kassenbezirk z. B. waren ärztlich zu versorgen etwa
340 000 Kassenmitglieder und Angehörige.
Nicht zur Kassenpraxis zugelassen zu sein, bedeutete daher
für den Arzt überhaupt keine oder eine zum Lebensunterhalt
ungenügende Praxis, mit andern Worten mehr oder weniger den
wirtschaftlichen Ruin, und dies um so mehr, als z. B. in Leipzig
über 400 Aerzte beruflich tätig sind, von denen im Jahre 1903
im ganzen 295 Aerzte Kassenärzte waren.
Die den Aerzten von den Kassen gestellten Bedingungen
wurden um so schlechter, je mehr die Kassen ihren Mitgliedern
statutarisch leisteten, nicht nur tatsächlich deswegen, weil die
Bezahlung der Aerzte infolge der gesetzlichen Begrenzung der
Mitgliederbeiträge und im Hinblick auf die sonstigen Verpflich-
tungen der Kasse (Reservefonds, Verwaltungskosten usw.) an eine
bestimmte Grenze gebunden ist und eine Erhöhung des Pauschale
dann auf Schwierigkeiten stösst, wenn nicht unmöglich wird, son-
dern auch verhältnismässig aus dem Grunde, dass sich die Zahl
der einzelnen Krankenfälle der Aerzte z. B. bei der statutarischen
Ausdehnung der ärztlichen Behandlung auf die Familienangehörigen
der Kassenmitglieder erheblich steigert, infolgedessen aber die
Pauschalsumme wesentlich überstiegen und sonach die prozentuale
Herabminderung des Einzelhonorars eine grössere wird. Auf diese
Weise sind die Aerzte in eine drückende wirtschaftliche Ab-
hängigkeit, ein vielfach standesunwürdiges Verhältnis zu den
Kassen geraten, welches sie sich, obwohl seiner bewusst, jahre-
lang haben gefallen lassen müssen, weil es bis vor nicht allzu-
langer Zeit an einem festen Zusammenschlusse der Aerzte ge-
fehlt hat.