Im Gegensatz zur Schliessung bewirkt die Vertagung nicht
eine Unterbrechung, sondern ein blosses Ruhen der Parlaments-
tätigkeit, ohne dass dieses Ruhen auf den Stand der Arbeiten
und den Bestand der Organe des Hauses irgend einen Einfluss
ausübte. Nach Ablauf der Vertagungsfrist nehmen sie die gleiche
Lage ein wie zu Beginn derselben.
Verfassungsrechtlich steht dem nichts im Wege, dass wäh-
rend der Vertagung durch den König bzw. den Kaiser die Or-
gane des Hauses ihre Tätigkeit fortsetzen‘. In Bezug auf den
Präsidenten ist dies niemals, in Bezug auf die Kommissionen
mit Unrecht bestritten®®. Der Reichstag selbst hat am 28. Juni
1890 beschlossen:
die zur Vorberatung des Gesetzentwurfs betr. die Ab-
änderung der Gewerbeordnung — No. 4 der Drucksachen —
gewählte Kommission zu ermächtigen, behufs weiterer Fort-
führung dieser Vorberatung bereits vom 4. Nov. cr. ab zu-
sammenzutreten,
während die Zustimmung zur Vertagung des Reichstags bis zum
18. Nov. [1890] erteilt worden war ®*.
Auch wird, worauf in diesem Zusammenhange nicht näher
einzugehen ist, die Bestimmung des Art. 78 Abs. 2 Preuss.
°* Bei der Vertagung durch das Haus selbst ist niemals ein Zweifel in
dieser Richtung entstanden. So hat z. B. nach den Osterferien des Jahres
1902 die 16. Kommission des Reichstages ihre Arbeiten am 8. April, das
Plenum seine Arbeiten am 15. April 1902 wieder aufgenommen.
6%? Von G. MEYER a. a. O. S. 406, insbesondere Anm. 6 zu 8131 (vgl.
auch Verhandlungen des Reichstages vom 16. Juni 1882 [Stenographische Be-
richte der V. Legislaturperiode 2. Session S. 513 ff.)). Mit der hier ver-
tretenen Ansicht übereinstimmend: LABAnD, Staatsrecht a. a. O. Bd. 1 S. 318
Anm. 2; Arnpr a. a. O. S. 133; von SeypeL, Kommentar a. a. O. S. 206,
wenngleich nicht ohne Bedenken.
6% Vgl. Verhandlungen des Reichstages vom 28. Juni 1890 (Stenographische
Berichte der VIII. Legislaturperiode 1. Session 8. 654 ff.); dazu Drucksachen
ebd. No. 110, 126. Uebrigens hätte es eines solchen besonderen Ermäch-
tigungsbeschlusses nach dem im Text Ausgeführten nicht bedurft. Vgl. auch
(%. Meyer a. a. O. S. 407.