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Handelsverträgen entsprochen. Natürlich trägt damit der Verein nicht die
Verantwortung für die Zollgesetzgebung damals und heute; dazu ist diese
Gesetzgebung viel zu sehr von Bedingungen und Kräften abhängig, welche
mit der Wissenschaft keine intime Fühlung haben. Aber das kann man doch
auch wieder feststellen, ohne Einfluss sind die Publikationen unseres Vereins
nicht gewesen, treten sie doch mit dem Rüstzeug der Wissenschaft den allzu
temperamentvollen Wünschen und Forderungen der Interessengruppen ent-
gegen und sorgen sie doch damit für eine gewisse Kontinuität und für einen
Ausgleich in unserer Handelspolitik, und hie und da haben sie auch unmittelbar,
wie wir sehen werden, die Reichspolitik beeinflusst. Bei den Veröffentlichungen
des Vereins von 1900 war den Mitarbeitern zur Pflicht gemacht worden,
die Erörterungen und Untersuchungen der allgemeineren Fragen, wie Agrar-
und Industriestaat, soziale Wirkung der einen oder andern Richtung der
Handelspolitik zurückzustellen, da solche Erörterungen mehr Sache indi-
vidueller Gelehrtenarbeit sei, welche immer nur vom subjektiven Standpunkte
aus verrichtet werden könne. Die Schriften des Vereins sollten möglichst
den Charakter objektiver Berichterstattung tragen. Diesem Programm ent-
sprechen am meisten noch die Arbeiten von Fısk über die Handelspolitik
der Vereinigten Staaten, von BarLop über die deutsch-russischen und über
die deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen, von KARL RATHGEN über die
englische Handelspolitik am Ende des 19. Jahrhunderts, während die übrigen
Abhandlungen von LoTzZ, ConkAD, ARNDT, Dane, Hewıns, FRANcKE sich um-
fangreicher mit spekulativen und politischen Absichten tragen, als es im
Sinne der obigen Einschränkung gelegen hat. Das nimmt ihnen nichts von
ihrem wissenschaftlichen Werte, denn offenbar wollten die einschränkenden
Bestimmungen nur einer Ueberflutung mit rein politischen Betrachtungen
vorbeugen, sie ganz auszuschliessen, war nicht ihre Tendenz und hätte nicht
im Interesse staatswissenschaftlicher Forschungen gelegen. Denn grosse
volkswirtschaftliche Prozesse dürfen sich nicht hinter dem Rücken der
nationalökonomischen Wissenschaft vollziehen; diese Wissenschaft muss An-
teil an der Abwägung der staatlichen Mittel der Handelspolitik nehmen.
Nur kann man verlangen, dass sich ihre Erörterungen nach der Tiefe und
nach dem Temperament vom Streite der Parteien und der öffentlichen Mei-
nung zu unterscheiden haben, und diesem Verlangen kommen in der Tat alle
vorliegenden Abhandlungen nach.
Den Reigen der Abhandlungen eröffnet — höflich wie wir Deutschen
nun einmal sind — der amerikanische Professor Dr. Fısk. Er bemüht sich,
den Dingley-Tarif, die Massregeln des Orts- und Generalabschätzers, die
amerikanische Auffassung von der Reziprozität, die Zuschläge zu dem Zoll
für deutschen Prämienzucker, das Tonnengelder- und Schiffsregistrierungs-
system der Vereinigten Staaten aus der Handelsgeschichte und den beson-
deren wirtschaftlichen Eigentümlichkeiten dieses Landes zu verteidigen und
zu erklären. Ohne Frage bietet er ein reichhaltiges statistisches und staats-