Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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Drei weitere Abhandlungen greifen nicht unmittelbar in die Frage der 
Handelsverträge ein. So schildert Francke (l. Bd.) in seiner sehr gehalt- 
vollen Arbeit über die zollpolitischen Einigungsbestrebungen in Mittele‘.ropa 
während des letzten Jahrzehnts und das Werden und — man darf es so 
nennen — das Vergehen der Idee vom mitteleuropäischen Zollbund. Die 
Kritik, die FRAncKE an die Einigungsbewegung anlegt, ist in ihrer Sachlich- 
keit und Klarheit überzeugend; ich möchte noch einen Schritt weiter gehen 
und selbst die Revision der Meistbegünstigungsklausel im Geiste einer mittel- 
europäischen Interessensphäre mit einer Spitze gegen die Union bei der 
durch und durch egoistischen Handelspolitik von Oesterreich-Ungarn vor- 
läufig für eine Utopie betrachten. Vom englischen Imperialismus und seiner 
voraussichtlichen Wirkung auf die grossbritannische Handelspolitik berichtet 
in anziehender Weise der Londoner Nationalökonom Hzwins (2. Bd.). Er tritt 
für einen „konstruktiven Imperialismus“, d. i. für eine imperialistische Politik, 
welche die Kolonien nicht nur als Ausbeutungsobjekte betrachtet, sondern 
auch ihnen wirtschaftliches Gedeihen und ihnen vom Mutterlande aus die 
Vorteile einer grossen militärischen und maritimen Sicherheit gewährleistet. 
Der konstruktive Imperialismus will im Gegensatz zur herrschenden Auf- 
fassung von Imperium in England innere Reformen und Weltmachtspolitik 
nicht ausschliessen, sondern beides miteinander vereinigen. Sicherlich eine 
Ideenassoziation, welche mit der deutschen Politik zusammentrifft. Auf 
Hewiıns folgt Kar RATaBeEn, der die englische Handelspolitik am Ende des 
19. Jahrhunderts unter gründlicher Benützung der Handelsstatistik und der 
englischen Fachliteratur bespricht. Das Verhältnis zu den Kolonien, der 
Ausgangspunkt aller handelspolitischen Kontroversen in Grossbritannien, bil- 
det den Kern der Rarasenschen Untersuchung, die schliesslich in dasselbe 
Fahrwasser wie die Hewınsschen Darlegungen einmünden, nämlich in die 
Empfehlung gründlicher Reformen in England. 
Recht eigentlich in das Zentrum der handelspolitischen Kontroversen 
führen schliesslich die Aufsätze von ConkAD, Dane und LoTz hinein, sie stellen 
zugleich in ihrer Trinität die drei Hauptrichtungen der deutschen Handels- 
politik dar: DaApe rechter Flügel, Lotz linker Flügel und Coxnrap Mittel- 
partei, ohne dass selbstverständlich die Eigenarten der Tagespolitik auf diese 
Männer der Wissenschaft angewandt werden können. Lotz legt in der 
„Handelspolitik des Deutschen Reiches unter Graf Caprivi und Fürst Hohen- 
lohe 1890—1900* (3. Bd.) die Nervenstränge der Wirtschaftspolitik des letzten 
Jahrzehnts mit bekannter Sicherheit des Urteils und Schonungslosigkeit der 
Dialektik bloss; er verteidigt die Caprivischen Handelsverträge in allen ihren 
Bestandteilen, wobei er nur allzusehr das Politische gegenüber den wirt- 
schaftlichen Tatsachen, die Caprivi nicht immer recht gegeben haben, in den 
Vordergrund zu stellen scheint. Interessant sind die Aufzeichnungen der 
geschichtlichen Vorgänge des Jahres 1891 mit dem Zurückgehen der Hoch- 
agrarier von dem 5 Mk.-Getreidezoll; seine Betrachtungen über das Anschwellen
	        
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