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treter noch vorläufig weiter als solche anzusehen und ihre Mit-
wirkung anzurufen. Indessen widerspricht diese Meinung dem
Begriffe der Auflösung’”®, welche doch gerade ein Mehr ist als
die Schliessung. Auflösung heisst Vernichtung der Abgeord-
neteneigenschaft der Mitglieder des Parlaments. Ist die Ver-
nichtung einmal erfolgt, so kann die Wiederherstellung nicht durch
die Regierung, sondern nur durch die Wähler stattfinden. Dies
setzen auch die Verfassungen als selbstverständlich voraus, wenn
sie in unmittelbarem Anschluss an die Regelung der Auflösung
Bestimmung über den Zeitraum treffen, innerhalb dessen die
Wähler nach stattgehabter Auflösung versammelt sein müssen ’”.
Und das von TaupıcHum vermisste Verbot ist eben durch den
Begriff der Auflösung gegeben’”®,
Es bleibt endlich noch die Frage zu beantworten, ob ein
noch nicht berufenes Haus aufgelöst werden kann. Sie
wird verschieden ausfallen, je nachdem man den Tag der all-
gemeinen Wahlen oder den Tag des ersten Zusammentritts als
existenzbegründend ansieht. So verneint denn die Frage durch-
aus konsequent BORNHAK mit der Begründung: „Etwas nicht
Vorhandenes kann auch nicht vernichtet werden“”®, Nicht folge-
richtig ist es, wenn FRHR. VON STENGEL®® die Auflösung eines
noch nicht zusammengetretenen, also nach seiner Ansicht noch
nicht existierenden Abgeordnetenhauses — und das gleiche muss
für den Reichstag gelten — für zulässig erklärt: ein Parlament,
7% Uebereinstimmend von SEYDEL, Kommentar a. a. O. S. 205; LaBanp,
Staatsrecht a. a. O. Bd. 1 S. 319; Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen
Reiches Bd. 1 (Berlin 1895) S. 221; Arnpr, Verfassungsurkunde a. a. O. S. 199;
Verfassung des Deutschen Reichs a. a. O. S. 164; Staatsrecht a. a. O. S. 136.
7 Preuss. Verf. Art. 5l, RV Art. 25.
78 voN SEYDEL a. a. OÖ. 8. 205£.
® A. a. O. Bd. 1 S. 292f. Ebenso neuerdings auch Arnpt, Ueber
Anfang, Unterbrechung und Schluss der Legislaturperioden a. a. O. S. 738.
Entsprechend: Verfassungsurkunde a. a. O. S. 199.
A, a. 0. S. 86.