Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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union mit bundesstaatlichen Attributen; denn die Realunion ist eine Art des 
Staatenbundes, dieser steht aber im begrifflichen Gegensatze zum Bundes- 
staate. Der Widerspruch springt auch sofort in die Augen. 8. 29 sagt der 
Verf., dass Oesterreich-Ungarn eine Realunion, d.h. also kein Staat, sondern 
ein Bund ist; dennoch spricht er auf 8. 27 und auf S. 40 von der öster- 
reichisch-ungarischen Staatsbürgerschaft. Ein klares, logisch unanfechtbares 
Urteil über das staatsrechtliche Verhältnis Oesterreichs zu Ungarn ist aber 
für die systematische Behandlung unseres Militärrechtes aus den eingangs 
dargelegteu Gründen unbedingt erforderlich. 
Nicht minder widerspruchsvoll ist, was der Verf. über den Oberbefehl 
lehrt. Ganz richtig stellt er auf S. 11 dem militärischen Oberbefehle die 
Heeresverwaltung gegenüber; gleichwohl lehrt er auf 8. 14, Oberbefehls- 
verordnungen seien Verwaltungsverordnungen. 
Nicht ganz einwandfrei ist es weiter, wenn der Verf. auf S. 7, 8 und 
27 die Landwehr darum als eine Feldarmee zweiten Ranges bezeichnet, weil 
für sie eine zweijährige, für das gemeinsame Heer hingegen eine dreijährige 
Wehrpflicht besteht, und weil die Landwehr über keine Artillerie und über 
keine technischen Truppen verfügt. Das ist eine Auffassung, die sich vom 
militärischen Standpunkte ganz gut verteidigen lässt. Wir Juristen aber 
haben im $ 4 Oesterr. Wehr& vom 11. April 1889 unser juristisches 
Argument für die Minderwertigkeit der Landwehr gegenüber dem 
stehenden Heere. Die zitierte Gesetzesstelle schreibt vor, dass die Land- 
wehr im Kriege zur Unterstützung des Heeres dient. Daraus ergibt 
sich, dass das Heer ohne die Landwehr, niemals aber die Landwehr ohne 
das Heer im Kriege verwendet werden darf. Aus diesem Grunde ist also 
für die juristische Betrachtung das Heer der Hauptfaktor. 
Wenn wir nun endlich dem Wunsche Ausdruck geben, dass die deutsch- 
rechtliche Fachliteratur eingehender berücksichtigt worden wäre, weil wir 
eine Stellungnahme zu den höchst beachtenswerten militärrechtlichen Arbeiten 
Hänes, Preuss’ und allen voran SEYDELs vermissen, so ist es genug der 
Ausstellungen. Es wäre ungerecht, wenn wir schliessen wollten, ohne die 
wissenschaftliche und praktische Brauchbarkeit neuerdings zu betonen, die 
dem Buche trotz der besprochenen Mängel eignet. Was ihm einen besonderen 
Wert verleiht, das ist die stets freimütige und treffiende, dabei doch ruhige 
Kritik, die der Verf. an einigen unserer militärischen Rechtsvorschriften übt. 
Nicht minder beachtenswert sind seine Vorschläge de lege ferenda. 
Wir empfehlen das Buch dem eingehenden Studium aller jener, die an 
dem Recht unserer Heereseinrichtungen Interesse haben. Man wird nicht 
in allem mit dem Verf. übereinstimmen; man wird das Buch aber nicht aus 
der Hand legen, ohne aus ihm viel gelernt zu haben. 
Max Kulisch.
	        
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