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Im zweiten Abschnitt ist dann von der Ministerverantwortlichkeit in
den deutschen Einzelstaaten die Rede (S. 26ff.). Hier liegt das Haupt-
interesse in der Tatsache, dass vielfach der Volksvertretung die Befugnis
gegeben ist, auch die Anwendung des gemeinen Strafrechts gegen den Minister
zu verfolgen, verbunden mit dem verfassungsrechtlichen Dienststrafverfahren
oder statt desselben. Also eine ähnliche Verschiebung wie die eben er-
wähnte, nur dieses Mal auf Kosten der Staatsanwaltschaft. Verf. führt mit
Recht aus, dass dieses mit Einführung der Reichsjustizgesetze hat aufhören
müssen. Inwieweit dadurch die Verfolgungsbefugnisse der Volksvertretung
ganz hinwegfallen oder beschränkt sind, ist Sache einer genaueren Unter-
suchung der einzelnen Verfassungen. Verf. hat diese Untersuchung nicht
durchführen wollen.
Der dritte Abschnitt: Die reichsministerielle Verantwortlichkeit, ent-
hält wesentlich Auseinandersetzungen über die verschiedenen Gesetzes-
vorschläge zur Einführung einer rechtlichen Verantwortlichkeit der Volks-
vertretung gegenüber.
Leipzig. Otto Mayer.
Dr. Doerkes-Boppard, Verfassungsgeschichte der Australischen
Kolonien und des Commonwealth of Australia München
und Berlin, R. Oldenbourg, 1903. XI und 340 S.
Die Schrift bildet den 16. Band der von der Redaktion der Histo-
rischen Zeitschrift herausgegebenen „Historischen Bibliothek“. Die Geschichte
der australischen Kolonien ist nicht lang zu erzählen. Sie bietet im allge-
meinen dem Juristen auch wenig Neues. Es ist eben die Geschichte einer
englischen Kolonie. Erst die Gründung des Australischen Bundes, des
Commonwealth, der mit dem 1. Januar 1901 ins Leben trat, hat unsere
Aufmerksamkeit in höherem Masse in Anspruch nehmen müssen. Irregulare
aliquod corpus et monstro simile, möchten wir mit PERFENDORF sagen. The
people of New South Wales, Victoria etc. hat das neue Gemeinwesen ge-
gründet und geriert sich wie der Souverän davon. Es ist der Typus des
republikanischen Bundesstaates, den wir vor uns haben. Wenn aber alles
fertig zu sein scheint, kommt die Krone von Grossbritannien und Irland als
der eigentliche Souverän zum Vorschein und verwandelt, streng juristisch
genommen, das neue Genieinwesen zum Nebenlande einer Monarchie.
In der Darstellung des Verfassers gelangt das sehr treffend zum Aus-
druck, indem er bei Betrachtung des „rechtlichen Charakters des Bundes“
(S. 235ff.) zunächst die Unterordnung unter die englische Krone „als nicht
vorhanden gedacht“ haben will. Dann aber kommt 8. 280ff.: „der tatsäch-
liche rechtliche Charakter des Common wealth“, wo dann alles in ein
anderes Licht tritt.
Die Arbeit gibt uns interessantes Material zu diesem interessanten
Gegenstand. Das ist dankenswert. Rechtswissenschaftliche Ausnutzung und