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Vertiefung bietet sie nicht. In der Vorrede wird HaTscHkK wegen freund-
licher Beratung gerühmt. Im Buch selbst führt JELLINEK schlechthin die
Alleinherrschaft.e. Wir sind weit entfernt, den Verf. wegen dieser Wahl
tadeln zu wollen.
Leipzig. Otto Mayer.
Rud. Smend, Die Preussische Verfassungsurkunde im Vergleich
mit der Belgischen. Göttingen 1904. 85 8.
In der Literatur des preussischen Staatsrechts wird wegen des engen
Anschlusses der preussischen Verfassungsurkunde an die belgische sehr oft
auf die letztere zur Auslegung der preussischen Bezug genommen. Man be-
gnügt sich dabei in der Regel mit der Gegenüberstellung der betreffenden
Artikel; es ist aber einleuchtend, dass aus den aus dem Zusammenhang ge-
lösten Sätzen ein sicherer Schluss nicht gezogen werden kann und dass trotz
äusserlicher Uebereinstimmung ein Artikel der belgischen Verfassung eine
andere rechtliche Bedeutung und politische Wirkung haben kann wie eine
gleichlautende Bestimmung im Zusammenhang der preussischen. Die richtige
Beurteilung der beiden Verfassungen erfordert vielmehr, dass man jede in
ihrer Gesamtheit, in der Wechselwirkung ihrer einzelnen Anordnungen und
mit Berücksichtigung ihrer historischen Grundlage erfasst. Dieser Aufgabe
ist die vorliegende Untersuchung gewidmet und mit feinem Verständnis,
Gründlichkeit und Scharfsinn gelöst worden.
Der Verf. geht, was selbstverständlich ist, von der historischen Tatsache
aus, dass die belgische Verfassung einem neu geschaffenen Staat seine Or-
ganisation gab, die preussische dagegen ein bestehendes Staatsrecht vorfand;
die von der belgischen Verfassung eingesetzten Organe, auch der König,
haben daher nur diejenigen Befugnisse oder Funktionen, welche die Ver-
fassung ihnen beilegt; der preussische König dagegen blieb im Besitz seiner
historisch hergebrachten Rechte, soweit sie ihm nicht durch die Verfassung
entzogen oder beschränkt wurden. Darüber bestand in der Literatur stets
volles Einverständnis. Der Verf. zeigt aber, dass die belgische Verfassung
die Stellung des Königs und des königlichen Hauses zum Staat überhaupt
in anderer Weise wie die preussische auffasst und er begründet dies durclhı
eine Reihe von Anordnungen, die an sich nicht von grosser staatsrechtlicher
Wichtigkeit zu sein scheinen, welchen aber eine symptomatische Bedeutung
zukommt; so namentlich die Verschiedenheit der Bestimmungen über den
Titel, äber Nationalfarben und Staatswappen, über die Zivilliste, über die
Regentschaft und die Vormundschaft über den minderjährigen König, über
die Fortgeltung des Hausrechts und der familienrechtlichen Autonomie und
über die Stellung der Agnaten. Viel geringer ist der Unterschied der beiden
Verfassungen hinsichtlich der Volksvertretung; doch ist die verschiedene Zu-
sammensetzung der Kammern von um so grösserer politischer Bedeutung.
Daran schliesst sich eine Erörterung über die Zuständigkeitsverteilung