469 —
8 61.
Farbige Beamte, welche die ihnen anvertraute Gewalt
wissentlich missbrauchen oder ihr Amt eigennützig ausbeuten,
insbesondere sich für Verletzung ihrer Amtspflicht Geschenke
oder andere Vorteile versprechen lassen, werden mit Kettenhaft
nicht unter sechs Wochen bestraft.
8 62.
Dorfälteste, Häuptlinge, Priester, welche die Religion oder
den Aberglauben der Bevölkerung dazu benützen, Handlungen
anzuordnen oder zur Begehung von Handlungen aufzufordern,
die mit Strafe bedroht sind, werden mit Vermögensstrafe bis
zum Werte von 10000 Mark bestraft. Die Strafbarkeit der
genannten Personen gemäss 8 28 Abs. 2 wird hierdurch nicht
berührt.
Durch Verordnung des Gouverneurs kann angeordnet wer-
den, dass für bestimmte strafbare Handlungen der Angehörigen
eines Stammes oder Dorfes unbeschadet der Strafbarkeit des
Täters den Häuptling oder Dorfältesten die Verantwortung trifft.
Wird ein derartiges Verbrechen begangen, so ist der Häuptling
oder die verantwortliche Person mit Vermögensstrafe bis zum
Werte von 10000 Mark zu belegen.
Dieser Paragraph verfolgt den Zweck, strafbare Handlungen der Ein-
geborenen, die bisher durch Sitte oder durch Religion sanktioniert waren,
zu bekämpfen und langsam auszurotten. Es liegt auf der Hand, dass gerade
hier der Einfluss der Häuptlinge und Priester weit mächtiger wirken kann
als die Beamten, Mission und Schule. Ihre Mitwirkung ist daher unent-
behrlich und muss gegebenen Falles auch erzwungen werden. Als Zwangs-
mittel sind aber Freiheitsstrafen, die das Dorf des Führers berauben und
unter Umständen der Unordnung preisgeben, nicht zweckmässig, während
durch hohe Vermögensstrafen ein sehr wirksamer Druck ausgeübt wird, der
sich auch dem Dorfe fühlbar macht, auf welches der Häuptling die Strafe wohl
zum grossen Teile umlegen wird. Der zweite Absatz ist der englischen
East Afrika ordinance entnommen und soll sich dort wohl bewährt haben.