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Die Stellung des Kaisers und der Kontingents-
herren nach Militärstrafprozessrecht.
Von
Gerichtsassessor Dr. GUDERIAN in Berlin.
Wie in der Organisation der bewaffneten Macht überhaupt,
so ist auch in der Gestaltung des Militärstrafprozessrechts die
Person des Kaisers und der Kontingentsherren von überragender
Bedeutung. Die Militärstrafgerichtsordnung (MStGO) weist ihnen
nicht nur ausdrücklich eine Reihe schwerwiegender Befugnisse
zu; wichtiger sind die Befugnisse, von denen in der Militär-
strafgerichtsordnung nichts zu lesen ist, die sich aber aus der
staatsrechtlichen Stellung des Kaisers und der Kontingentsherren
im Bereiche des Militärwesens ergeben.
Bevor aber hierauf eingegangen werden kann, ist es erfor-
derlich, die staatsrechtliche Bedeutung der Militärstrafgewalt und
ihr Verhältnis zur Staatsgewalt allgemein darzulegen.
Alle Gewalt im Staate stammt von dem Staat, ist Staats-
gewalt. Es besteht kein Recht, Befehle zu geben, ihre Befolgung
zu fordern und zu erzwingen, als durch den Staat; er allein
herrscht. Wohl tritt an den einzelnen täglich auf den verschie-
densten Wegen, nicht bloss vom Staate her, die Pflicht heran,
sein Tun und Lassen nach bestimmten Vorschriften einzurichten.
Aber Gehorsam gewährt er freiwillig. Der Befehlende vermag