Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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Berücksichtigung rechnen dürfe, wenn die rechtskräftig vom Straf- 
richter verhängte Strafe als eine zu harte befunden werden sollte, 
werde durch die Bestätigungsordre und die dabei geeignetenfalls 
eintretende Milderung der Strafe lebendig erhalten. Sie diene 
somit zur Stärkung der kriegsherrlichen Autorität und zur Be- 
festigung der militärischen Disziplin. 
In der Reichstagskommission sind diese Argumente von dem 
preussischen Kriegsminister wiederholt worden. 
Die Begründung des Entwurfs beschränkt sich, wie man 
sieht, auf den Versuch, das viel angefeindete Institut der Bestäti- 
gung zu rechtfertigen. Davon aber ist mit keiner Silbe die Rede, 
inwiefern und aus welchen Gründen die Bestätigungsordre sich 
als ein Ausfluss des Begnadigungsrechts darstelle. Und in der 
Tat wird es nicht möglich sein, hierfür einen einigermassen an- 
nehmbaren Grund zu finden. 
Wenn also die Bestätigungsordre weder die blosse Beschei- 
nigung der Rechtskraft des Urteils und, sofern dieses auf Ver- 
urteilung lautet, seiner Vollstreckbarkeit, nochlediglich dieForm der 
Ausübung des Begnadigungsrechts ist, so fragt es sich, welche andere 
Bedeutung ihr denn zukommt. Und da ist vorweg zu bemerken: 
Das Urteil des Zivil- und Strafrichters, im bürgerlichen und 
Militärprozess, erschöpft sich nicht in der Feststellung des ma- 
teriellen Rechts. Dieses ist seine erste, nächstliegende Funktion. 
Aber es ist damit nicht genug. Nicht dazu stellt der Staat die 
Richter an, dass sie blosse Rechtsgutachten oder Wahrsprüche 
abgeben, dass sie im Zivilprozess die Parteien über das Mass 
ihrer gegenseitigen Rechte nnd Pflichten belehren und im Straf- 
prozess die Strafbarkeit oder Nichtschuld des Angeklagten fest- 
stellen. Sondern der Staat weist den Richtern, seinen Organen, 
einen Teil seiner eigenen Gewalt zu. Er teilt ihnen die Fähig- 
keit zu, Wahrsprüche mit autoritativer, für dritte verbindlicher 
6 Dagegen auch von Marck, Kritische Betrachtungen zur Militärstraf- 
prozessvorlage 1898, S. 69 ff.
	        
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