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verstehe ich nicht. Das Gesetz hat dem Reiche das Eigentum überwiesen,
so wie es ist; die Idee, bei der Gelegenheit die „viel umstrittene Frage*
zu entscheiden, wie dieses Eigentum juristisch aufzufassen sei, darf man dem
Gesetzgeber doch nicht so willkürlich aufnötigen.
Der zweite Grund findet sich in Note 1 zu S. 372: „Uebrigens“, heisst
es dort, „ist weder im praktischen Bedürfnis noch im positiven Rechte aus-
reichender Anlass gegeben, die Festungswerke extra commercium und in
eine Linie mit den öffentlichen Wegen und Flüssen zu stellen.“ Wie es
mit dem positiven Rechte steht, haben wir gesehen, was aber das praktische
Bedürfnis anlangt, so ist das bei Festungswerken in unvergleichlich höherem
Masse vorhanden als bei Wegen und Flüssen. Dass die öffentliche Sache
extra commercium, d. h. ausserhalb der rücksichtslosen Wirkung des Zivil-
rechts gestellt wird, das hat die praktische Bedeutung, dass sie unbedingt
bei ihrer, von der darüber gesetzten Verwaltungsbehörde zu beurteilenden
und zu hütenden Zweckbestimmung erhalten werden soll. Wo ist es nun
notwendiger? Ist es wichtiger, dass ein Weg nicht ersessen werden kann
oder dass ein Stück Festung so geschützt ist? Soll der Ulmer Landwirt
gegebenen Falles nach $ 917 BGB einen Notweg über das Vorwerk verlangen
können, dessen Richtung und Umfang der Herr Amtsrichter von Ulm be-
stimmt? Zivilrechtliche Auffassung würde ja sogar gegenüber einem solchen
Fort eine herrliche Gelegenheit haben, $ 907 BGB zur Anwendung zu
bringen: der Eigentümer kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken
nicht Anlagen gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist,
dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein
Grundstück zur Folge hat — Laufgräben werden die Franzosen mit Sicher-
heit durch die vorgelegenen Grundstücke ziehen, wenn sie wieder einmal so
weit vordringen, wie das schon öfter der Fall war! Die Anlage der Festung
hat ja gerade den Zweck, diesen Fall vorauszusehen. Und die schöne rei
vindicatio nach $ 985 BGB, wenn sich herausstellt, dass ein Befestigungswerk
irrtümlicherweise auf fremden Grund und Boden gebaut ist! Das Reich ist
hier den Landesgerichten gegenüber keineswegs in einer bevorzugten Stellung.
In Band XV dieser Zeitschrift kann man lesen, wie es ihm mit seinem Bahnhot
in Kolmar gegangen wäre, wenn es ihnı nicht gelungen wäre, die „Flucht
in das öffentliche Recht“ zu finden. Das praktische Bedürfnis ist so dringend,
dass, wenn Verf. recht hätte, sofort ein Reichsgesetz zum Schutz der
Festung Ulm gemacht werden müsste, es sei denn, dass man sie ohnedies
aufgibt,
Freilich ist die Sache nicht so schlimm, deshalb, weil das Militär sich
einfach nicht fügen wird: es wird trotz Bürgerlichem Gesetzbuch und amts-
richterlichem Urteil den Notweg nicht einräumen und das Fort nicht heraus-
geben. Darauf rechnet man ja. Auch der Verf. scheint sich in dieser Richtung
zu bewegen; zu einer befriedigenden Lösung, meint er ($. 372), „reichen die
aus dem Privateigentum fliessenden Befugnisse in Verbindung mit der den