Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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verstehe ich nicht. Das Gesetz hat dem Reiche das Eigentum überwiesen, 
so wie es ist; die Idee, bei der Gelegenheit die „viel umstrittene Frage* 
zu entscheiden, wie dieses Eigentum juristisch aufzufassen sei, darf man dem 
Gesetzgeber doch nicht so willkürlich aufnötigen. 
Der zweite Grund findet sich in Note 1 zu S. 372: „Uebrigens“, heisst 
es dort, „ist weder im praktischen Bedürfnis noch im positiven Rechte aus- 
reichender Anlass gegeben, die Festungswerke extra commercium und in 
eine Linie mit den öffentlichen Wegen und Flüssen zu stellen.“ Wie es 
mit dem positiven Rechte steht, haben wir gesehen, was aber das praktische 
Bedürfnis anlangt, so ist das bei Festungswerken in unvergleichlich höherem 
Masse vorhanden als bei Wegen und Flüssen. Dass die öffentliche Sache 
extra commercium, d. h. ausserhalb der rücksichtslosen Wirkung des Zivil- 
rechts gestellt wird, das hat die praktische Bedeutung, dass sie unbedingt 
bei ihrer, von der darüber gesetzten Verwaltungsbehörde zu beurteilenden 
und zu hütenden Zweckbestimmung erhalten werden soll. Wo ist es nun 
notwendiger? Ist es wichtiger, dass ein Weg nicht ersessen werden kann 
oder dass ein Stück Festung so geschützt ist? Soll der Ulmer Landwirt 
gegebenen Falles nach $ 917 BGB einen Notweg über das Vorwerk verlangen 
können, dessen Richtung und Umfang der Herr Amtsrichter von Ulm be- 
stimmt? Zivilrechtliche Auffassung würde ja sogar gegenüber einem solchen 
Fort eine herrliche Gelegenheit haben, $ 907 BGB zur Anwendung zu 
bringen: der Eigentümer kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken 
nicht Anlagen gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, 
dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein 
Grundstück zur Folge hat — Laufgräben werden die Franzosen mit Sicher- 
heit durch die vorgelegenen Grundstücke ziehen, wenn sie wieder einmal so 
weit vordringen, wie das schon öfter der Fall war! Die Anlage der Festung 
hat ja gerade den Zweck, diesen Fall vorauszusehen. Und die schöne rei 
vindicatio nach $ 985 BGB, wenn sich herausstellt, dass ein Befestigungswerk 
irrtümlicherweise auf fremden Grund und Boden gebaut ist! Das Reich ist 
hier den Landesgerichten gegenüber keineswegs in einer bevorzugten Stellung. 
In Band XV dieser Zeitschrift kann man lesen, wie es ihm mit seinem Bahnhot 
in Kolmar gegangen wäre, wenn es ihnı nicht gelungen wäre, die „Flucht 
in das öffentliche Recht“ zu finden. Das praktische Bedürfnis ist so dringend, 
dass, wenn Verf. recht hätte, sofort ein Reichsgesetz zum Schutz der 
Festung Ulm gemacht werden müsste, es sei denn, dass man sie ohnedies 
aufgibt, 
Freilich ist die Sache nicht so schlimm, deshalb, weil das Militär sich 
einfach nicht fügen wird: es wird trotz Bürgerlichem Gesetzbuch und amts- 
richterlichem Urteil den Notweg nicht einräumen und das Fort nicht heraus- 
geben. Darauf rechnet man ja. Auch der Verf. scheint sich in dieser Richtung 
zu bewegen; zu einer befriedigenden Lösung, meint er ($. 372), „reichen die 
aus dem Privateigentum fliessenden Befugnisse in Verbindung mit der den
	        
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