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Angel Marvaud, licencie &s lettres, avocat ä la cour d’appel, docteur en droit,
Essai sur la juridiction administrative dans les Etats de
Empire Allemand et particulierement en Prusse (Etude
de Droit public compare). Paris, Henri Jouve, 1904, VIII u. 181 S.
Unsere Verwaltungsrechtspflege weist in den einzelnen Staaten grosse
Verschiedenheiten auf. Noch mannigfaltiger sind die Meinungen unserer
Schriftsteller über das, was sie wolle und bedeute. Es ist wahrlich keine
kleine Aufgabe, welche Verf. sich gestellt hat, wenn er seinen Landsleuten
davon ein klares anschauliches Bild geben will. Die 181 Seiten sind wenig,
zumal bei der freigebigen Art, wie die Franzosen solche Sachen drucken.
Aber er hat seine Sache ganz vortrefflich gemacht.
Der Verf. hat verstanden, dass es nicht darauf ankam, in den Kampf
unserer Theorien einzutreten und seine Stellungnahme zu begründen. Er
gibt einfach den Eindruck wieder, den wir ihm machen, und berichtet, welche
Auffassung danach bei uns obenauf ist, ob mit Recht oder mit Unrecht,
das untersucht er nicht. Und das ist sehr richtig von ihm.
Das erste Buch bringt uns einen Abriss der geschichtlichen Entwick-
lung der deutschen Verwaltungsrechtspflege. Sie wird in den wohlbekannten
drei Stufen vorgetragen: les Seigneurs territoriaux et la Justice de l’Empire,
le Regime de Police und l’Etat de Droit.
Im zweiten Buch wird dann gehandelt von der äusseren Gestaltung der
Verwaltungsgerichte. Wenn hier (8. 68 Note 1) der sächsische Kreisaus-
schuss mit zu den Verwaltungsgerichten gezählt wird, so ist das ein durch
das preussische Vorbild entschuldbarer Irrtum. Wir dürfen das hervor-
heben, weil sonst in der Tat wenig Missgriffe solcher Art dem Verf. be-
gegnet sind, und das will bei einem derartigen Gegenstande viel sagen.
Das dritte Buch handelt von „Gegenstand und rechtliche Natur der
Verwaltungsrechtspflege“. Beides bestimmt der Verf. nicht in Uebereinstimmung
mit den von mir vertretenen, ihm wohlbekannten Auffassungen. Ich muss
mich dabei bescheiden, wenn er den Eindruck bekommen hat, dass andere
Auffassungen bei uns zurzeit noch vorwiegen. Dahin gehört vor allem die,
dass es zum Wesen der Verwaltungsrechtspflege gehöre, dass sie ein sub-
jektives öffentliches Recht zu schützen habe (S. 76). Damit ist nicht ge-
sagt, dass diese Auffassungen beim Verf. gut abschneiden. Er sagt von
unsern „subjektiven öffentlichen Rechten* (S. 77): Ces diverses conceptions
plus metaphysiques que juridiques, ne permettent guere d’arriver & un cri-
terium certain dans la pratique. Das in der Note gegebene Beispiel von
JELLINEKs Statuslehre ist selbstverständlich in dieser gar zu abgekürzten
Form nicht geeignet, den Franzosen den Eindruck zu machen, dass wir uns
unter subjektiven öffentlichen Rechten etwas Greifbares vorstellen.
Dann ist im 4. Buche die Rede von der Zuständigkeit der Ver-
waltungsgerichte, im 5. von ihrem Verfahren. Hier hebt Verf. hervor, dass
die deutsche Verwaltungsrechtspflege allzu sklavisch das Vorbild der Zivil-