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Der Verf. geht hierauf zu einer scharfen Kritik abweichender An-
sichten über, zunächst der von DssLANDrREs erfundenen „historisch-kritischen“
Methode, ein Schlagwort, mit welchem auch in der neuesten deutschen
staatsrechtlichen Literatur Unfug getrieben wird, der aber bisher freilich
noch keinen grossen Schaden angerichtet hat. Ebenso erklärt sich der
Verf. mit Recht gegen die einfache und kritiklose Uebertragung privat-
rechtlicher Begriffe auf Verhältnisse des Öffentlichen Rechts; namentlich
aber bekämpft er in glänzender Ausführung den Historismus im Recht und
er zeigt bei aller Anerkennung des selbständigen Wertes, welchen die Er-
forschung der Rechtsgeschichte hat, den unheilvollen und zerstörenden Ein-
fluss, welchen die Verquickung derselben mit der Dogmatik eines gegebenen
positiven Rechts haben muss. Endlich fordert er auch unter Bekämpfung
von Dusvst eine Fernhaltung von rechtsphilosophischen, ethischen Idealen
von der dogmatischen Erkenntnis der bestehenden Rechtssätze.
Auf diese vortrefflichen Ausführungen über die von der Rechts-
dogmatik zu befolgende Methode schliesst sich eine Erörterung über das
Wesen des Staates, welche eine scharfe Bekämpfung der Lehre von der
juristischen Persönlichkeit des Staates enthält. Der Verf. geht von dem
Grundsatz aus, dass das Wesen des Rechts in seiner Erzwingbarkeit besteht
und eine Abgrenzung der Willensmacht ist; dass ferner das Wesen des
Staates in seiner Souveränität, d. h. seiner unbeschränkten und unbeschränk-
baren Herrschaft zu sehen ist und er schliesst daraus, dass der Staat nicht
Träger von bestimmten begrenzten Rechten und Pflichten, also kein Rechts-
subjekt, sein könne; die Souveränität des Staates sei ein reines Faktum (wie
der Besitz), welches nicht die Folge einer Rechtsordnung sein könne, son-
dern ihre tatsächliche Voraussetzung sei. Der Staat sei vielmehr ein
Komplex von Rechtsbeziehungen zwischen seinen Organen zueinander und
zu seinen Untertanen. Den Einwand, dass die Staaten in ihren internatio-
nalen Beziehungen als Rechtssubjekte in Rechtsverhältnisse zueinander
treten, sucht er damit abzuweisen, dass er dem Völkerrecht den Charakter
eines wirklichen Rechts abspricht, weil es nicht erzwingbar sei, und weil
die Uebertragung völkerrechtlicher Sätze auf staatsrechtliche Verhältnisse
unzulässig sei. Es handelt sich aber nicht um eine solche; sondern nur
darum, dass das rechtliche Wesen des Staates als Rechtssubjekt in den
völkerrechtlichen Beziehungen mit besonderer Deutlichkeit und mit un-
bestreitbaren Wirkungen in die Erscheinung tritt. Auch den Einwand, dass
die Persönlichkeit des Staates in seiner Kontinuität und zeitlichen Identität
trotz des Wechsels seiner Organe und Untertanen sich zeige, weist der Verf.
mit der nichtssagenden Bemerkung ab, dass diese Kontinuität für die dog-
matische Konstruktion nicht in Betracht komme! Es würde hier zu weit
le droit constitutionnel et de droit public general de M. Saripolos, Toulouse
1904, über das Verhältnis des Staatsrechts zur Politik.