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führen, die einzelnen Ausführungen des Verf, eingehend zu widerlegen, und
ich kann nur mit Bedauern von der scharfsinnigen Abhandlung sagen:
Desinit in piscem mulier formosa superne. Laband.
Ettore Lombardo Pellegrino, Professore dell’ Universitä di Palermo, Il
Diritto di Necessitä nel Costituzionalismo giuridico. Roma 1903.
129 8. gr. 8°.
Der gelehrte und berühmte Verf. behandelt in dieser Schrift die beiden
Rechtsinstitute der Notstandsverordnungen und des Belagerungszustaudes
und untersucht die Frage, ob dieselben mit der konstitutionellen Rechts-
ordnung verträglich sind. Er beginnt mit einer fesselnd geschriebenen
Ausführung, dass diese Frage eine spezifisch der konstitutionellen Staats-
form angehörige ist, da nur hier der Gegensatz zwischen Gesetz und Ver-
ordnung und die formelle Gesetzeskraft rechtliche Bedeutung haben. Daher
tritt ein besonders ausgeprägtes und an bestimmte Voraussetzungen und
Schranken gebundenes Notstandsrecht des Herrschers im feudalen, patriar-
chalen und patrimonialen Staat nicht hervor. Das gleiche gilt auch vom
absoluten Staat. Auch wenn man hier zwischen Gesetzen und Verordnungen,
welche auch Rechtsverordnungen sein können, theoretisch einen Unter-
schied macht, so hat dies praktisch keine Bedeutung. Der Verf. zeigt dies
namentlich an den Rechtszuständen Russlands, welche er so anschaulich
schildert, als hätte er schon die brutalen Massnahmen der jüngsten Zeit
gekannt oder vorgeahnt. Den Uebergang zum konstitutionellen Staat macht
eine Erörterung darüber, dass ein Staat der Form nach ein konstitutio-
neller, dem Wesen nach aber noch ein Polizeistaat sein kann, solange das
Volk und das gesamte staatliche Leben noch nicht von dem Prinzip be-
herrscht werden, dass die Regierung durch die Gesetze gebunden ist; so wie
sich anderseits schon im absoluten Staat der Uebergapg zum Rechtsstaat,
den der Verf. mit dem konstitutionellen identifiziert, vorbereiten kann, indem
der Inhaber der Staatsgewalt dem bestehenden Recht gemäss verwaltet.
Der Fortschritt zum wirklichen Rechtsstaat besteht aber darin, dass der
Monarch nicht nur die Gesetze beobachtet, sondern dass er die Gesetze
auch nicht eigenmächtig abändern oder ausser Kraft setzen kann, weil nur
das Gesetz ist, was der Monarch gemeinsam mit einem andern Organ er-
lassen hat. Von diesem Prinzip aus, nach welchem das formelle Gesetz
einzig und allein Recht schafft, mit dieser vollkommenen Gleichsetzung von
legge und diritto, wird es dem Verf. natürlich leicht, alle Theorien zu
widerlegen, welche den Erlass von Notstandsverordnungen und die Ver-
hängung des Belagerungszustandes seitens des Monarchen oder auch nur
die Ermächtigung der Regierung dazu durch einen Beschluss der Volks-
vertretung mit dem Konstitutionalismus in Einklang zu setzen suchen. Mit
Ausführlichkeit zeigt der Verf., dass die Vorschriften der französischen Ver-