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deren Lebensverhältnisse verschieden sind, weder den Grund-
sätzen der Gerechtigkeit entspricht, noch geeignet erscheint, die
Grundlage einer guten Verwaltung zu bilden, ergeht an die
Gouverneure der Kolonien der Auftrag, besondere Kommissionen
einzusetzen zur Ausarbeitung von Entwürfen eines Strafgesetz-
buches und einer Strafprozessordnung, welche den Umständen
angepasst sind und den Unterschieden der Zivilisation, der Rasse
und den sonstigen Lebensverhältnissen der Personen, für welche
sie bestimmt sind, Rechnung tragen.“
An dem Problem ist seitdem eifrig gearbeitet worden, ohne
dass die Arbeiten zum Abschluss gekommen wären. Inzwischen
hilft man sich dadurch, dass man die Eingeborenen zwar vor das-
selbe Gericht stellt wie die Europäer, den Richter jedoch in
Eingeborenenstrafsachen nicht an das Gesetz bindet. In Macao
hat man überdies eine eigene Behörde für die Chinesen geschaffen
(Prokuration Administrativa dos negocios sinicos), zu deren Zu-
ständigkeit in Strafsachen Bagatellsachen gehören, soweit sie keine
höhere Strafe als drei Tage Gefängnis erfordern.
In Mozambique wird den Entscheidungen im Strafverfahren
gegen Eingeborene das muhammedanische Recht zu Grunde gelegt.
Ausserdem erging für alle portugiesischen Kolonien das Dekret
vom 20. Febr. 1894, welches den Gerichten die Befugnis ein-
räumt, in allen Fällen, in welchen das Strafrecht des Mutter-
landes Gefängnis vorsieht, statt dessen gegen Eingeborene auf
Zwangsarbeit zu erkennen.
Ferner hat der Gouverneur das Recht, selbst Strafverord-
nungen zu erlassen, in welchen (bezahlte) Zwangsarbeit bis zu
einem Jahr angedroht werden darf.
III. Kapitel. Die Anforderungen an ein zu schaffendes
Eingeborenenstrafrecht.
Die Darstellung des geltenden Rechtes im ersten Kapitel dürfte
zur Genüge gezeigt haben, dass der heutige Rechtszustand ein