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Unabhängige, nur dem Gesetze verantwortliche Richter wären
geradezu ein Hemmnis einer gedeihlichen Entwicklung, sie müssten,
wenn anders sie ihre Aufgabe gewissenhaft und streng nach dem
Gesetz erfüllen, in manchen Fällen Urteile sprechen, deren Voll-
streckung der Gouverneur, der für die Ruhe in den Kolonien ver-
antwortlich ist, gezwungen wäre, zu inhibieren.
Auch würden ihre Entscheidungen in der Regel weit weniger
der Gerechtigkeit oder vielmehr Billigkeit entsprechend sein können
als die des Verwaltungsbeamten, der die Leute in seinem Bezirk,
ihre Anschauungen von gut und böse weit besser kennen lernen
kann, als der niemals in gleich hohem Grade in unmittelbarem
Kontakt mit der Bevölkerung stehende Richter. Auch darf nicht
unterschätzt werden, dass dem Verwaltungsbeamten mit der Straf-
rechtspflege ein ausgezeichnetes, durch nichts anderes zu er-
setzendes Mittel an die Hand gegeben wird, sich über die Zu-
stände in seinem Bezirk zu unterrichten.
Endlich darf ein Punkt, der theoretischen Wünschen gegen-
über schwer ins Gewicht fällt, durchaus nicht gering geachtet
werden: man macht schon heute unserer Kolonialverwaltung den
Vorwurf, dass sie mit zu vielen Beamten arbeitet. Ich sehe hier
von der Schwierigkeit, die nötige Anzahl von juristisch gebilde-
ten Richterbeamten zu finden, vollkommen ab. Es ist ganz un-
denkbar, dass der Reichstag zu einer derartigen Personalvermeh-
rung seine Zustimmung gibt, wie sie mit der Schaffung von
Richterstellen in allen kolonialen Verwaltungsbezirken verbunden
wäre. Verweist man aber die ganze Strafrechtspflege an die
wenigen Richter, welche in den Hauptküstenplätzen ihren Sitz
haben, so würde in der überwiegenden Zahl aller Straftaten
in Duala vom 15. Juli 1901 (Drucksachen des Kolonialrates Per. VI Stck. 2
S. 21ff.). Der einzige, welcher sich für die Trennung der Justiz von der
Verwaltung ausspricht, ist der Landeshauptmann von Deutsch-Togo (Druck-
sachen des Kolonialrates Per. VI 1895—98 No. 2 III). (De dato 25. Mai
1895.)