Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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Unabhängige, nur dem Gesetze verantwortliche Richter wären 
geradezu ein Hemmnis einer gedeihlichen Entwicklung, sie müssten, 
wenn anders sie ihre Aufgabe gewissenhaft und streng nach dem 
Gesetz erfüllen, in manchen Fällen Urteile sprechen, deren Voll- 
streckung der Gouverneur, der für die Ruhe in den Kolonien ver- 
antwortlich ist, gezwungen wäre, zu inhibieren. 
Auch würden ihre Entscheidungen in der Regel weit weniger 
der Gerechtigkeit oder vielmehr Billigkeit entsprechend sein können 
als die des Verwaltungsbeamten, der die Leute in seinem Bezirk, 
ihre Anschauungen von gut und böse weit besser kennen lernen 
kann, als der niemals in gleich hohem Grade in unmittelbarem 
Kontakt mit der Bevölkerung stehende Richter. Auch darf nicht 
unterschätzt werden, dass dem Verwaltungsbeamten mit der Straf- 
rechtspflege ein ausgezeichnetes, durch nichts anderes zu er- 
setzendes Mittel an die Hand gegeben wird, sich über die Zu- 
stände in seinem Bezirk zu unterrichten. 
Endlich darf ein Punkt, der theoretischen Wünschen gegen- 
über schwer ins Gewicht fällt, durchaus nicht gering geachtet 
werden: man macht schon heute unserer Kolonialverwaltung den 
Vorwurf, dass sie mit zu vielen Beamten arbeitet. Ich sehe hier 
von der Schwierigkeit, die nötige Anzahl von juristisch gebilde- 
ten Richterbeamten zu finden, vollkommen ab. Es ist ganz un- 
denkbar, dass der Reichstag zu einer derartigen Personalvermeh- 
rung seine Zustimmung gibt, wie sie mit der Schaffung von 
Richterstellen in allen kolonialen Verwaltungsbezirken verbunden 
wäre. Verweist man aber die ganze Strafrechtspflege an die 
wenigen Richter, welche in den Hauptküstenplätzen ihren Sitz 
haben, so würde in der überwiegenden Zahl aller Straftaten 
in Duala vom 15. Juli 1901 (Drucksachen des Kolonialrates Per. VI Stck. 2 
S. 21ff.). Der einzige, welcher sich für die Trennung der Justiz von der 
Verwaltung ausspricht, ist der Landeshauptmann von Deutsch-Togo (Druck- 
sachen des Kolonialrates Per. VI 1895—98 No. 2 III). (De dato 25. Mai 
1895.)
	        
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