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angeführten Gründe ein gewisses Gewicht nicht bestreiten. Je-
doch möchte ich dagegen vor allem auf das ganz gering ent-
wickelte Gedächtnis der meisten Eingeborenen hinweisen. Wenn
man bedenkt, welche Schwierigkeiten schon bei uns heute die
Wiederholung der Hauptverhandlung nach Monaten bereitet, be-
rücksichtigt, wie oft dort, wo doch die Verhältnisse ungleich
günstiger sind, die Zeugen versagen, wenn man dazu die erheb-
lichen Schwierigkeiten nimmt, welche in den räumlichen und Ver-
kehrsverhältnissen liegen und eine Hauptverhandlung vor einem
gemeinsamen Obergericht vielfach geradezu unmöglich machen,
wird man das bisherige System unbedingt für das zweckmässigere,
ja einzig mögliche halten. Wo die Eingeborenen wirklich so
verlogen sind, dass eine einwandfreie Entscheidung erschwert
scheint, da wird ein Rechtsmittel nichts ändern können. Denn
zweifellos wird man dem Richter der oberen Instanz genau das
gleiche Lügengewebe vorsetzen.
Den Hauptzweck einer höheren Instanz in der Eingeborenen-
rechtspflege möchte ich überhaupt darin erblicken, dass inner-
halb ein und desselben Schutzgebietes nach einheitlichen Grund-
sätzen judiziert, insbesondere beim Strafausmass eine gewisse
Gleichförmigkeit beobachtet wird. Dies wird aber durch die bis-
herige Uebung: Bestätigung der Urteile durch den Gouverneur, in
ausreichender Weise ermöglicht. Demselben muss die Möglich-
keit freistehen, jedes Urteil sowohl selbst abzuändern als auch
die Sache zu nochmaliger Verhandlung zurückzuverweisen, wobei
jedoch von letzterer Befugnis im Interesse eines schleunigen Ver-
fahrens ein möglichst sparsamer Gebrauch zu machen wäre.
Dass durch die Bestätigung die Schnelligkeit des Strafvoll-
zuges gehemmt werden könnte, ist nicht zu besorgen, in Frage
kommen sollen nur Urteile, in welchen auf Freiheitsstrafen über
sechs Monate erkannt wurde; hier kann mit der Strafvollstreckung
jedenfalls unbedenklich sofort nach gefälltem Urteil begonnen
werden, so dass ein Aufschub eigentlich nur für die Todesstrafe