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in Frage käme. Und auch hier muss der Beamte die Möglich-
keit haben, in Fällen von Aufruhr u. dgl., wo es geboten ist,
ein Exempel zu statuieren, unverzüglich die Exekution vorzu-
nehmen.
Ein Bedenken lässt sich bei der gegenwärtigen Rechtsübung
allerdings nicht leugnen; es mag wohl vorkommen, dass einzelne
Richter, um der lästigen Nachkontrolle aus dem Wege zu gehen,
nur ausnahmsweise auf höhere Strafe erkennen und dadurch die
Energie der Strafverfolgung leidet“. Es ist deshalb auch in der
Kolonialabteilung schon wiederholt erwogen worden, das Straf-
mass, von welchem beginnend die Bestätigung eintreten soll,
herabzusetzen. Ferner bestehen Erwägungen, im Strafverfahren
gegen Inder, welche sich durch besonders feines Rechtsgefühl
auszeichnen sollen, eine Berufung einzuführen.
Zu ungleich grösseren Schwierigkeiten als der Strafprozess
geben die Vorschriften des materiellen Strafrechts Anlass. Es soll
hier von dem allgemeinen Teil, von dem System der Strafen und
deren Vollzug vollständig abgesehen werden, da hier eine, wenn
auch vom Reichsstrafgesetzbuch abweichende, so doch für alle
Schutzgebiete übereinstimmende Regelung kaum irgend welchem
Bedenken begegnen dürfte.
Nicht das gleiche kann von dem besonderen Teile des Straf-
rechts behauptet werden. Der Ausschuss des Kolonialrates war
hier „einmütig der Ansicht, dass die Angelegenheit nicht gleich-
förmig für alle Schutzgebiete geordnet werden könne, sondern
dass die Rücksichtnahme, welche die Verschiedenheit der Rasse
und des Bildungsgrades, der religiösen, sittlichen und rechtlichen
Anschauungen und Gewohnheiten der Eingeborenen bedinge, . .
6a Eine Bestätigung konnte in der der Denkschrift beigefügten Statistik
gefunden werden. Danach kamen im Berichtsjahr 1902/03 in Ostafrika auf
8850 Strafurteile nur 771, die der Bestätigung bedurften, in allen andern
Fällen wurde auf eine geringere Strafe erkannt.