83 —
mit Strafe bedrohte Handlung bisher sanktioniert hatten, da kann
nur eine vorsichtige progressive Steigerung der verhängten Strafen
allmählich der Bevölkerung den Wert des Rechtsgutes, das sie
verletzen, zum Bewusstsein bringen. Insbesondere wäre vielleicht
der Rückfall stets als Strafschärfungsgrund anzunehmen.
Auf der andern Seite dürfte auch die obere Grenze der
Strafrahmen vielfach nicht ausreichend sein. Unsere Schutz-
gebiete können zum grössten Teil noch nicht als pazifiziert an-
gesehen werden, es herrscht dort sozusagen Kriegs- oder Be-
lagerungszustand. Hier müssen alle Angriffe gegen die öffent-
liche Ruhe und Sicherheit, gegen die Organe des Staates mit
der grössten Strenge, wenn man will nach Standrecht beurteilt
werden. — Es erscheint nicht unzweckmässig, dass beispielsweise
das indische Recht Notwehr gegen einen Beamten ausschliesst
und jeden Akt bewaffneter Widersetzlichkeit gegen einen solchen
kurzer Hand mit dem Tode bedroht.
Abweichungen vom Reichsstrafgesetzbuch sind also jedenfalls
geboten, sie können aber im wesentlichen für alle Schutzgebiete
die gleichen sein; es wird, was die Verbrechen der ersten Gruppe
anlangt, angehen, unter tunlichster Anlehnung an die Grund-
sätze des Reichsrechts, eine einheitliche Kodifikation des für die
Farbigen geltenden Rechts vorzunehmen.
Weit grössere Schwierigkeiten bereiten jedenfalls die straf-
baren Handlungen der zweiten Gruppe. Wir haben hier zu
unterscheiden zwischen Handlungen, die mit Rücksicht auf das
abweichende rechtliche und religiöse Empfinden der Eingeborenen
nicht nach den Grundsätzen unseres deutschen Rechts behandelt
werden können, aber dennoch im Interesse der Erziehung der
Bevölkerung strafrechtliche Behandlung erheischen, und solchen,
die mit der Religion so eng verknüpft sind, dass ihre Beseiti-
gung erst mit dem Eindringen des Uhristentums möglich ist.
Die letzteren — es kommt hier eigentlich nur die Bi-
gamie und für die wenigen Stämme, welche in voller geschlecht-
6*r