Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

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höheren Verbandsperson ist. Das eben ist die viel angefeindete 
„Durchdringung der Einheit durch die Vielheit“, das Grund- 
princip organischer Anschauung, ohne welche alles Recht im 
Individualrecht stecken bleibt. 
„Indem der Mensch von Hause aus sein Dasein zugleich als 
Einzelleben und als Gemeinleben führt und empfindet, vermag 
er seinen Willen zu spalten und dem Bereich des Fürsichseins der 
Einzelwillen ein Gebiet ihrer Verbundenheit zum Gemeinwillen 
gegenüber zu stellen. So producirt er gesellschaftliche Körper, 
die ein den Individualwillen der Glieder gegenüber selbständiger 
Wille des Ganzen durchherrscht und zu einheitlichem Leben 
befähigt 78).“ — Diese Verbandspersonen sind also aus Vielheiten 
sich organisch zusammensetzende Einheiten. In einer gewissen 
Richtung kommen dieselben nur als Einheiten in Betracht; näm- 
lich nach aussen, in den Yerhältnissen, für welche die innere 
Gestaltung und Natur gleichgiltig ist. Wie bei den physischen 
Gebilden, sofern man sie nur äusserlich als unverbunden neben 
einander stehend betrachtet, kein Unterschied ist zwischen dem 
einzelligen Lebewesen und dem complicirtesten Organismus, so 
erscheinen nach aussen für das unorganische Nebeneinander alle 
Rechtssubjekte als gleichartige Personen. Im Gebiete des Rechts 
entspricht diese Betrachtungsweise den wirthschaftlichen 
Beziehungen der Menschen d. h. dem Privat- oder enger und 
richtiger dem Individualrecht??). 
Wie aber die Naturlehre, wenn sie das innere Wesen der 
Organismen zu erkennen sucht, nicht nur ihre Einheit, sondern 
vor allem die Art ihrer Zusammensetzung und Gliederung aus 
der Vielheit der organischen Theile betrachtet, so muss die Juris- 
78) GIERKE, Genossenschaftstheorie, S. 24, 25; vgl. auch Bäur, Rechts- 
staat S. 28 und 31. 
2) Privat- und Individualrecht decken sich nicht; ersteres umschliesst 
nach den herkömmlichen Systemen auch Provinzen des Sozialrechts: Familie, 
Juristische Personen.