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deutschen Reich Verwaltungsgerichte, die streng nach Rechts-
grundsätzen entscheiden; und gerade sie erfreuen sich bei den
Untertanen — Laien wie Juristen — ob ihrer korrekten Rechts-
anwendung besonderen Ansehens; und niemals hat man gehört,
dass ein solches Gericht die Entscheidung über eine Rechtsfrage
mangels der Existenz einschlägiger Normen abgelehnt hätte. —
Das ist ganz richtig. Aber bei genauerem Zusehen zeigt sich
etwas Ueberraschendes: In viel weiterem Umfang nämlich, als
gewöhnlich angenommen wird, werden in den Urteilen der Ver-
waltungsgerichte zivilrechtliche Normen subsidiär zur An-
wendung gebracht. Zum Beweise mögen einige Beispiele dienen.
Das — im allgemeinen durch eine vorzügliche Rechtsprechung
ausgezeichnete — sächsische Oberverwaltungsgericht hat in einer
Entscheidung vom 4. November 1903 anerkannt, dass die Grund-
sätze des Privatrechts über Geschäftsführung ohne Auftrag auch
im öffentlichen Recht, wenn auch in beschränktem Umfang, An-
wendung finden *. In einem anderen Urteile? wendete der glei-
che Gerichtshof die bürgerlichrechtlichen Vorschriften über den
Auftrag bei Uebertragung der Fürsorge für einen durch Unfall
Verletzten an eine Krankenkasse nach $ 11 des GewUVG.
„sinngemäss“ an. Nicht selten werden dann in den Entschei-
dungen verschiedener Verwaltungsgerichte die Normen des bür-
gerlichen Rechts über „ungerechtfertigte Bereicherung“ ergän-
zend herangezogen ®. Die Strafsenate des Reichsgerichts haben
3 Dass dies notwendig ein Fehler sei, soll damit natürlich hier nicht
gesagt werden.
* Vgl. Jahrb. SächsOVG. Bd. 5 S. 55 ff., besonders 8. 56: „Von einer
nach den Grundsätzen des Öffentlichen Rechts zu beurteilenden auftrags-
losen Geschäftsführung kann nur die Rede sein, wenn sowohl der Geschäfts-
führer wie derjenige, dessen Geschäfte besorgt werden, berufen und be-
fähigt sind, öffentliche Verwaltung zu führen, wenn sich z. B. Gemeinden,
Armenverbände, Ortskrankenkassen gegenüberstehen.“
5 Urteil vom 31. V. 1905, Jahrb. SächsOVG. Bd. 7 8. 315 ff.
® Besonders interessant ist hier eine Entscheidung des sächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 4. März 1905, vgl. Jahrb. SächsOVG. Bd. 7