Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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deutschen Reich Verwaltungsgerichte, die streng nach Rechts- 
grundsätzen entscheiden; und gerade sie erfreuen sich bei den 
Untertanen — Laien wie Juristen — ob ihrer korrekten Rechts- 
anwendung besonderen Ansehens; und niemals hat man gehört, 
dass ein solches Gericht die Entscheidung über eine Rechtsfrage 
mangels der Existenz einschlägiger Normen abgelehnt hätte. — 
Das ist ganz richtig. Aber bei genauerem Zusehen zeigt sich 
etwas Ueberraschendes: In viel weiterem Umfang nämlich, als 
gewöhnlich angenommen wird, werden in den Urteilen der Ver- 
waltungsgerichte zivilrechtliche Normen subsidiär zur An- 
wendung gebracht. Zum Beweise mögen einige Beispiele dienen. 
Das — im allgemeinen durch eine vorzügliche Rechtsprechung 
ausgezeichnete — sächsische Oberverwaltungsgericht hat in einer 
Entscheidung vom 4. November 1903 anerkannt, dass die Grund- 
sätze des Privatrechts über Geschäftsführung ohne Auftrag auch 
im öffentlichen Recht, wenn auch in beschränktem Umfang, An- 
wendung finden *. In einem anderen Urteile? wendete der glei- 
che Gerichtshof die bürgerlichrechtlichen Vorschriften über den 
Auftrag bei Uebertragung der Fürsorge für einen durch Unfall 
Verletzten an eine Krankenkasse nach $ 11 des GewUVG. 
„sinngemäss“ an. Nicht selten werden dann in den Entschei- 
dungen verschiedener Verwaltungsgerichte die Normen des bür- 
gerlichen Rechts über „ungerechtfertigte Bereicherung“ ergän- 
zend herangezogen ®. Die Strafsenate des Reichsgerichts haben 
  
3 Dass dies notwendig ein Fehler sei, soll damit natürlich hier nicht 
gesagt werden. 
* Vgl. Jahrb. SächsOVG. Bd. 5 S. 55 ff., besonders 8. 56: „Von einer 
nach den Grundsätzen des Öffentlichen Rechts zu beurteilenden auftrags- 
losen Geschäftsführung kann nur die Rede sein, wenn sowohl der Geschäfts- 
führer wie derjenige, dessen Geschäfte besorgt werden, berufen und be- 
fähigt sind, öffentliche Verwaltung zu führen, wenn sich z. B. Gemeinden, 
Armenverbände, Ortskrankenkassen gegenüberstehen.“ 
5 Urteil vom 31. V. 1905, Jahrb. SächsOVG. Bd. 7 8. 315 ff. 
® Besonders interessant ist hier eine Entscheidung des sächsischen 
Oberverwaltungsgerichts vom 4. März 1905, vgl. Jahrb. SächsOVG. Bd. 7
	        
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