— 159 —
Unterscheidungsalter ist im einzelnen in den deutschen Staaten
sehr verschieden angesetzt ; relativ am häufigsten findet sich das
14. Lebensjahr, dann in anderen Staaten das 16. oder 18., nur
in wenigen das 21. Lebensjahr °*. Hervorzuheben ist hierbei,
dass diese Altersstufe nicht etwa nur rein kirchlich-religiöse Be-
deutung hat; denn im Anschluss an den Austritt aus einer Kirche
erlischt — oft freilich erst nach Ablauf einer gewissen Zwischen-
frist — namentlich auch das etwaige Besteuerungsrecht der betr.
kirchlichen Gemeinschaft; umgekehrt erwächst durch den Ueber-
tritt zu einer anderen Kirche möglicherweise dieser ein Be-
steuerungsrecht. Auf diesem kirchenrechtlichen Gebiet wird mit
dem annus discretionis also eine recht weitgehende Geschäfts-
fähigkeit erlangt, die sogar in das Gebiet des Vermögensrechtes
übergreift. —
Von besonderer Bedeutung ist im Öffentlichen Recht ferner
die Altersstufe des 16. Lebensjahres. Mit diesem Alter beginnt
nach den Vorschriften der Zivil- wie der Strafprozessordnung
die Eidesmündigkeit, wenigstens soweit es sich um Zeugen- und
Sachverständigeneid handelt; ob unter Umständen nach $ 473
OPO. ein noch nicht Sechzehnjähriger einen Parteieid zu schwö-
ren vermag, ist bestritten ?’ und nicht ganz unzweifelhaft. Wei-
terhin beginnt mit diesem Alter nach Art. 1 11 der Novelle vom
30. V. 1908 zum Gesetz über den Unterstützungswohnsitz, wenn
man so sagen darf, die armenrechtliche Selbständigkeit *, ferner
2° Vgl, die Zusammenstellung bei ARTHUR B. ScHMIDT „Der Austritt aus
der Kirche“ S.92ff. Das 14. Lebensjahr ist z. B. massgebend imgrössten Teil
Preussens, in Hessen, Oldenburg, den beiden Mecklenburg, den beiden Lippe,
Anhalt, dann in beschränktem Umfang im Königreich Sachsen; das 16. in
Baden und Frankfurt, das 18. im Gebiete Kurhessens und in einigen thü-
ringischen Staaten, das 21. endlich in Bayern, Hamburg und einigen an-
deren thüringischen Staaten.
?” Namentlich von BinpIng, vgl. sein Lehrb. d. gemeinen deutschen
Strafrechts Bd. II (Besonderer Teil) S. 146 ff. in Note 4.
2® Der Aufenthalt an einem Ort wie der Erwerb oder Verlust des Un-
terstützungswohnsitzes sind ja natürlich an sich keine Rechtsgeschäfte; aber